Freitag, 5. März 2010

"Historisch-romantisches Futter" für die Leihbibliotheken um 1800



Unter dem schönen Titel "Almarich Herzog von Siebenbürgen oder der Wald bey Hermannstadt" erschien 1808 in Pest [Budapest] bei K.A. Hartleben "Eine historisch-romantische Geschichte". Das Bändchen (Format 12 x 17 cm) hatte einen Umfang von 142 Seiten und war mit einem ganz netten Titelkupfer von Blaschke versehen.

Ähnlich sahen damals - als Napoleons Herrschaft weite Landstriche Europas kontrollierte - viele Bücher für die beliebten Leihbibliotheken der Zeit aus. 'Historisch-romantische' Geschichten hatten Konjunktur - schon bevor Walter Scott mit seinen umfangreichen Romanen das Genre umkrempelte - und eine Vielzahl von mehr oder weniger bedeutenden Autoren schuf Hunderte solcher Titel. Leihbibliotheken, vor allem grössere Institutionen, waren häufig durchaus respektable Betriebe mit grossem sorgfältig zusammengestelltem Buchbestand und repräsentativen Geschäftsräumen. Daneben gab es allerdings auch  kleinere 'Winkelbibliotheken', wie sie für spätere Jahre z.B. Karl May in seinen Erinnerungen beschreiben. Hier beherrschten sensationell geschriebene Geschichten den Buchbestand, hinzu kamen oftmals weitere, teils schon ziemlich zerfledderte Bände, die von grösseren Bibliotheken ausgesondert worden waren.

Zurück zum oben gezeigten Bändchen: Der Verfasser bleibt ungenannt. Der Verlag von K.A. Hartleben gehört dagegen noch heute - zumindest bei Bibliophilen zu den bekannteren Verlagen der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie, nicht zuletzt durch die in späteren Jahrzehnten veröffentlichten prächtigen Ausgaben von Jules Verne.

In den "Annalen der Literatur und Kunst des In- und Auslandes, Jg. 1810, Band 1" (Wien 1810) hieß es in einer zeitgenössischen Buchbesprechung:

"In Hn Hartlebens Buchhandlung in Pesth erscheinen seit ein paar Jahren häufig deutsche und ungrische Romane. Leider sind sie nur für Leser berechnet, die an einen Romanenschreiber keine hohen Ansprüche zu machen wissen und sich daher mit jedem Roman aus Leihbibliotheken begnügen, wenn er ihnen nur einigermassen in leeren Stunden Unterhaltung gewährt und die Langeweile tödten hilft. Dieß gilt auch von den vorliegenden Romanen. [...] Almarich ist ein Roman von gewöhnlichem Schlage, der sich von Lesern, die Übertreibungen und,Verletzungen der romantischen Wahrscheinlichkeit nicht achten, ziemlich gut lesen läßt. Der Inhalt ist den meisten Lesern der Annalen aus dem Schauspiel der Madame Weissenthurm in Wien: 'der Wald bey Hermannstadt' bekannt. [...]
Uebrigens kann Rec. nicht ins Detail gehen, weil er nicht vergeblich Zeit tödten will und weil er den Raum in den Annalen schonen muß.
Beyde Kupfer von Blaschke sind schön, aber das bey Almarich ist mit mehr Fleiß gearbeitet [...].  Der Verleger dieser Romane hat für guten Druck und überhaupt für ein gefälliges Aeussere gesorgt." (S. 54 f.)

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