Sonntag, 11. November 2012

Dachbodenfunde

In manchmal verstaubten Ecken auf Dachböden älterer Häuser finden sich oft Kartons oder Kisten. Wenn man diese öffnet, taucht so manches aus längst vergangenen Jahrzehnten auf. Wertvolles und Kitsch, Unwichtiges und Bemerkenswertes liegen hier häufig direkt nebeneinander - zusammengewürfelt vom Spiel des Zufalls.
Schauen wir einmal etwas genauer in eine dieser gut verpackten Kisten. Die Bücher stammen aus der Zeit zwischen 1890 und 1920.
Auf dem Einband eines schmalen Heftchens, welches einst für 1 Mark - ganz schön teuer, wenn man an die damaligen Stundenlöhne denkt - erhältlich war, findet sich der ziemlich kurios anmutende Hinweis "Aufgeschnittene oder beschmutzte Hefte werden nicht zurückgenommen." Sollten die damaligen Zeitgenossen häufiger auf die Idee gekommen sein, solche Heftchen nach Gebrauch (also nach der Feier eines Polterabends) wieder den Buchhändlern zurück zu bringen? Zur Verhinderung einer slchen Praxis diente wohl auch der Umstand, dass die Hefte nicht aufgeschnitten ausgeliefert wurden, was bedeutete, dass man vor dem Lesen zunächst einmal mit einem Federmesser sorgfältig die Seiten auftrennen musste ...


Johannes Kern und Mary Osten (Hg.)
Neue Polterabend-Scherze. 3. Heft
J. U. Kern's Verlag (Max Müller) |  Breslau [Sechste Auflage] 1890
Pappe - ca. 17,5 x 11 cm -- 111 S.
Greifen wir nun zu einem gut erhaltenen roten Buch mit goldenen Lettern auf dem Einband. Bei LURLEI von Julius Wolff (1834-1910) handelt es sich um eine "altertümelnde Verserzählung in gefälliger Art über historische Stoffe und Sagen" (wikipedia) des zu Kaisers Zeiten durchaus beliebten Autors. Erstmals erschien die 'Romanze' im Jahr 1886. Wie der Titel suggeriert erzählt die Geschichte von der Lurlei (Lorelei). Eine Kostprobe aus dem über 300 Seiten starken Band:
"Am Felsrand ist verblichen
Der steinernen Rosen Gluth,
Ein Windhauch kommt gestrichen,
Und Kühlung atmet die Fluth. ..." (S. 44)
Ich möchte solche schriftstellerischen Ergüsse heute nicht mehr lesen, sie  wirken auf mich doch stark angestaubt und auch Paul Heyse dürfte als er 1884 Autoren wie Wolff als "Butzenscheibendichter" bezeichnete, nicht unbedingt begeistert von Werken dieser Art gewesen sein. Unser Exemplar dürfte 1907 zu Weihnachten verschenkt worden sein, wie ein handschriftlicher Eintrag auf dem Titelblatt belegt.


Julius Wolff
Lurlei. Eine Romanze
G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung | Berlin (Zweiundsechzigstes Tausend) 1906
geprägtes Leinen -- ca 18 x 12 cm
[= Grote'sche Sammlung von Werken zeitgenössischer Schriftsteller, 25. Band]
Die Ansicht eines Laubwaldes mit Spinnennetz im Dämmerlicht ziert den Eindband des nächsten Bandes, den ich aus der Kiste ziehe. Ein Blick aufs Titelblatt zeigt, dass ich eine Erstausgabe von Paul Keller (1873 bis 1932) in der Hand habe. Der heute vergessene Autor war zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein vielgelesener (und auch häufig übersetzter) Verfasser von Heimatromanen, die oftmals vor dem landschaftlichen Hintergrund Schlesiens spielten. Von seinen Büchern waren zu Beginn der 1930er Jahre mehr als 5 Millionen Exemplare verkauft.
Der 'Waldroman' HUBERTUS erschien 1916 [Die DNB gibt fälschlich 1918 an.] in hoher Startauflage. Bis 1964 verzeichnet die DNB insgesamt sieben Ausgaben, darunter eine in Brüssel veröffentlichte Übersetzung ins Flämische.

Paul Keller
Hubertus. Ein Waldroman
Bergstadtverlag Wilh. Gottl. Korn | Breslau - Leipzig [1.-66. Tausend] © 1916
gebunden (Pappe) -- 276 S. (+ Verlagsanzeigen)
Der Verfasser des folgenden Heimatromans AUF DER HOCHALM, lässt sich weitaus schwieriger genremässig zuordnen.
Otfrid von Hanstein (1869-1959) war ein höchst produktiver und beliebter Verfasser unterhaltender Literatur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die wenigen Heimatromane spielten in seinem Oeuvre nur eine untergeordnete Rolle. Hanstein schrieb Jugendbücher, Abenteuergeschichten und Western, Krimis und Jugendbücher, historische Erzählungen, Frauen- und Sportromane sowie etliche unterhaltende Sachbücher - und er lieferte fast immer Lesenswertes mit ordentlichem Unterhaltungswert!
Die DNB datiert den Roman AUF DER HOCHALM ins Jahr 1916, dies ist aber nicht unbedingt gesichert. Das Buch erschien als vierter Band der Lispia-Bücher, hierbei handelte es sich um eine der zahlreichen preisgünstigen Buchreihen der 1910er und 1920er Jahre mit zumindest teilweise ziemlich trivialen Inhalten.

Otfrid von Hanstein
Auf der Hochalm. Roman
Vogel & Vogel G.m.b.H. Buchdruckerei und Verlagsanstalt | Leipzig [s.a.] [1916, lt. DNB]
gebunden -- ca. 15,7 x 13,5 cm -- 128 S.
[= Lipsia-Bücher, Band IV]
{enthält zudem: Wilhelm P. Zipfer, Am Telephon (S. 125-128)]
Ich danke Herbert KALBITZ für Scanvorlagen!


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