Samstag, 6. Juni 2015

Westerncomics im deutschsprachigen Raum


Bilder aus dem Wilden Westen
 - Westerncomics im deutschsprachigen Raum - 

 Ein Blick auf die Auslagen eines Zeitungskiosks in - sagen wir - den 1950er Jahren zeigte neben den Titelbildern zahlreicher anderer Comicreihen immer auch Zeichnungen von Cowboys, Trappern oder Indianern, die die Vorderseiten von Serien wie Silberpfeil oder Pecos Bill zierten. Diese Westernserien wurden damals in Deutschland zumeist im Piccoloformat veröffentlicht; hierbei handelte es sich um schmale Heftchen im Querformat von etwa 8 x 17 cm. Sie hatten einen farbigen Umschlag und einen Umfang von häufig 32 Seiten. Die eigentlichen Comicgeschichten im Heftinneren waren zumeist schwarzweiß gedruckt.

Die oft ungelenken Zeichnungen und zumeist sehr trivialen Geschichten dieser Piccolos standen am Beginn der Geschichte der deutschen Westerncomics. Die meisten Serien erschienen in den 1950er und 1960er Jahren zunächst im erwähnten Piccoloformat später in sogenannten Großbänden (etwa 24 x 17 cm) und schließlich seit den 1970er Jahren als Comicalben (DinA4-Format). Oftmals wurden in den Piccolos und Großbänden Fortsetzungsgeschichten veröffentlicht.

TEXAS RANGER
WILDWEST
 Comichefte der 1950er Jahre 



Die Piccolos sind inzwischen vom normalen Markt verschwunden und auch die Großbände, die im Bereich der Superheldencomics in den letzten Jahren eine Renaissance erlebten, spielen auf dem Gebiet der Westerncomics keine Rolle. Westerncomics wurden -einmal abgesehen von speziellen Sammlerausgaben - in den späten 1990er Jahren in Deutschland nur noch sporadisch in Albenform publiziert. Der Umfang der einzelnen Veröffentlichungen stieg bei den Comicalben auf bis zu 64 Seiten an. Schon in den späten Piccolos und in den Großbänden ging man im Inneren der Hefte zum Farbdruck über, der sich schließlich durchsetzte und in fast allen Comicalben üblich war. Die Verkaufspreise stiegen in den vergangenen Jahrzehnten natürlich gleichfalls kontinuierlich an. Konnte man in den 1950er Jahren noch Piccolos für 20 Pfennig kaufen und lagen in den frühen 1960er Jahren die Preise der Großbände bei 60 bis 80 Pfennig, so muss man heute für Comicalben durchschnittlich zwischen 10 und 20 DM bezahlen. Bei limitierten Ausgaben liegen die Preise teilweise noch deutlich höher. Auch die Preise der alten inzwischen häufig vergilbten antiquarischen Heftchen früherer Jahrzehnte sind, seitdem es im deutschsprachigen Raum eine sehr aktive Sammlerszene gibt, explosionsartig angestiegen. Eine ältere Ausgabe des Comicpreiskatalogs nennt für ein Tom-Mix-Heft aus dem Jahr 1954 den stolzen Preis von 28000 DM. Rational lassen sich solche Preise nicht erklären und selbst nostalgische Erinnerungen an die Lektüre vergangener Jugendjahre werden wohl die meisten nicht dazu bewegen können solche Phantasiepreise zu bezahlen. Das Interesse an alten Heften hat allerdings dazu geführt, dass in den letzten beiden Jahrzehnten fast alle "klassischen" Westerncomicserien der 1950er und 1960er Jahre in kleiner Sammlerauflage mit entsprechend hohen Verkaufspreisen nachgedruckt worden sind.

In den 1950er und 1960er Jahren wurden in Deutschland zumeist Westerncomics deutscher, italienischer oder auch amerikanischer Herkunft veröffentlicht. Mit dem verstärkten Auftreten der Comicalben gewannen die Serien aus dem frankobelgischen Raum stark an Bedeutung und wurden schließlich marktbeherrschend. Die Qualität der erzählten Geschichten schwankte naturgemäß ebenso wie die der Zeichnungen. Künstlerisch hochstehende Arbeiten standen neben primitiven ungelenken Zeichnungen, spannend in Szene gesetzte Szenarien wechselten mit langweiligen Trivialitäten. Die meisten der frühen Serien zielten auf ein jugendliches Leserpublikum während zumindest einige der späteren Alben auch erwachsene Leser ansprachen.

Abgesehen von eigenständigen Westerncomicreihen erschienen seit den 1950er Jahren auch etliche Reihen als Abdrucke in Zeitungen und/oder Zeitschriften. Gelegentlich wurden Einzelhefte in Reihen mit Anthologiecharakter gedruckt, z.B. die Comicadaption von Owen Wisters Roman The Virginian, als Heft Nr. 79 der Reihe Illustrierte Klassiker. Später fanden sich Westerncomics auch in speziellen Comicmagazinen wie z.B. Zack. Hier wurden die häufig aus dem frankobelgischen Raum stammenden Geschichten vielfach als Fortsetzungsabenteuer veröffentlicht.

Die folgenden Ausführungen bieten keine Geschichte der Westerncomics im deutschsprachigen Raum. Ein umfassender tabellarischer Überblick über die Westerncomicproduktion in Deutschland (bis 2002) findet sich in einem eigenen Artikel. Hier können nur einige wenige Hefte etwas ausführlicher vorgestellt werden, um Themen und Motive der deutschsprachigen Westerncomics zu dokumentieren.

BLAUER PFEIL, Nr.28 
In den Jahren 1954 und 1955 veröffentlichte Walter Lehning Verlag aus Hannover in insgesamt 24 Piccoloheften die Comicreihe Blauer Pfeil, der Häuptlingssohn. Die Einzelhefte kosteten damals 20 Pfennig und hatten einen Umfang von je 32 Seiten. Die Serie stammte von dem italienischen Zeichner Vincenzo Chiomenti, dessen Name - wie damals üblich - nicht angegeben wurde. 1977 erfolgte ein Nachdruck der Reihe bei Hethke - insgesamt 54 Hefte, wobei es sich bei den Bänden 25 bis 54 um zuvor noch nicht in Deutschland veröffentlichte Titel handelte. In der Einleitung des ersten Heftes Flucht in die Berge heißt es: "Als die Weissen immer weiter nach dem Westen vorrückten, versuchten die Indianer ihren Vormarsch mit allen Mitteln aufzuhalten. Aber auch untereinander bekämpften sich die seit Jahrhunderten verfeindeten Stämme. Wir wollen euch von einem Indianer erzählen, der versuchte die Stämme zu einigen, ehe einer nach dem anderen von den Weissen besiegt wurde!" Die Handlung setzt im Sommerlager der Irokesen ein. Bald stellt sich heraus, dass dieser Stamm von den Navajos bedroht ist. Letztere überfallen die nun als Apachen bezeichneten Indianer auf dem Weg in ihr Winterlager. Nur die Frau des Häuptling und ihr kleiner Sohn Blauer Pfeil können den Feinden entkommen. Das Heftchen endet: "Was wird aus Mutter und Sohn? Lest das nächste Heft! Es heisst: Allein mit wilden Pferden".    

Solche und ähnliche Fragen am Ende der Hefte waren typisch für die Comicproduktion verschiedener Verlage der damaligen Zeit. Man wollte hiermit wohl die Spannung auf die Fortsetzung erhöhen! Auf den meisten Seiten finden sich zwei schwarzweiße Zeichnungen eher niedriger Qualität mit kurzem Begleittetxten, teilweise als erzählter Text am oberen Bildrand teilweise auch als Sprechblasentexte, die Gespräche zwischen den auftretenden Personen wiedergeben.

Die abgebildeten Indianer sind am ehesten als Plainsindianer zu identifizieren, die in Tipis wohnen und entsprechende Kleidung tragen. Hierzu passen die erwähnten Stammesnamen nicht, weder Irokesen noch Navajos oder Apachen waren Plainsindianer und Irokesen und Navajos hatten normalerweise keine Berührung miteinander, sie lebten weit voneinander entfernt. Die schlampige Lektoratsarbeit bei Lehning wird dadurch dokumentiert, dass zu Beginn von Irokesen später aber von Apachen gesprochen wird. - Weder der geschilderte ethnographische Hintergrund noch die Handlung oder die Zeichnungen von Blauer Pfeil können überzeugen. Vielleicht hat die Serie in den 1950er Jahren ein nicht verwöhntes jugendliches Publikum ansprechen können, es bleibt aber auf jeden Fall unverständlich, warum Sammler bereit sind für die 24 Heftchen einen Gesamtpreis von mehr als 10000 DM (mittlerer Erhaltungszustand) zu bezahlen.

Andere Piccoloreihen italienischen Ursprungs aus den 1950er Jahren nahmen es mit den historischen Hintergründen der erzählten Geschichten ebenfalls nicht genau. So finden sich z.B. in der Serie Kinowa des Semrau-Verlages Prärieindianer als Bewohner eines Pueblos wieder. Zu dieser Indianergruppe gehören zudem einige weitere Indianer deren Haartracht auf eine Herkunft aus dem östlichen Waldland schließen läßt. Allerdings waren für Zeichner und Autoren und auch für die jugendlichen Rezipienten der Piccolos stimmige Hintergründe wohl kaum von Bedeutung. Wichtig war vor allem, dass mit verhältnismäßig niedrigem zeichnerischen Aufwand (z.B. kaum vorhandene oder nur sehr wenig strukturierte Hintergründe) eine abenteuerliche Geschichte erzählt wurde, die häufig zahlreiche Unstimmigkeiten aufwies aber zumeist halbwegs actionreich und spannend erzählt wurde. Überfälle, Gefangennahmen und Befreiungen gehörten zu den typischen Standardsituationen dieser Indianergeschichten, in denen die Indianer teils als edle Wilde teils aber auch als blutrünstige Bestien dargestellt wurden.

Das Material für andere Westerncomicreihen bei Semrau wurde gelegentlich von amerikanischen Rechteinhabern erworben. Zumeist handelt es sich allerdings auch hierbei um Serien mäßiger Qualität, die von Semrau in bunter Mischung mit italienischem Material in Reihen wie Texas oder Yabu veröffentlicht wurden. Bei fast allen Reihen dieser Zeit herrschte ein realistischer Zeichnungsstil vor, wie z.B. auch in den im Jupiter-Verlag publizierten Reihen Wildtöter und Der Texaner, die von deutschen Zeichnern gestaltet wurden.

Nicht immer spielten Indianer in den Piccolo- und Großbandreihen der 1950er Jahre die Hauptrolle. In El Bravo einer ursprünglich italienischen in Deutschland bei Lehning veröffentlichten Reihen steht eine zorroähnliche Figur im Mittelpunkt der Handlung. Sie schützt - wie nicht anders zu erwarten - die Bedrückten und Bedrohten vor ihren Widersachern. Auch in Harry der Grenzreiter oder in Pecos Bill standen weiße Helden im Mittelpunkt der Handlung. Selbst der amerikanische Filmschauspieler Tom Mix, der in den 1950er Jahren schon längst verstorben war, wurde Titelfigur einer Comicreihe. Obwohl die meisten der damals veröffentlichten Comicreihen inzwischen zu Recht vergessen sind, fanden gelegentlich auch interessantere Publikationen den Weg zu den deutschen Lesern.

Mit Cisco Kid schuf der Argentinier José Luis Salinas in Zusammenarbeit mit dem Texter Rod Reed zwischen 1951 und 1969 ein klassisches Schwarzweiß-Epos aus dem Wilden Westen, welches in Deutschland zunächst in Tageszeitungen und später auch teilweise in der Romanheftreihe Kelter-Wildwest-Roman abgedruckt wurde. Die Hauptfigur geht zurück auf O. Henrys berühmte zu Beginn des 20. Jahrhunderts erstmals erschienene Kurzgeschichte The Caballero's Way, die mehrfach verfilmt wurde. In den Filmen verwandelte sich der amerikanische Bandit Cisco Kid allerdings in einen aufrechten mexikanischen Helden, der im ganzen Westen für Recht und Gesetz sorgte. Zumeist trat er nun mit einem humoristischen Sidekick namens Pancho auf. Beide fanden schließlich nach zahlreichen Leinwandabenteuern auch den Weg in eine erfolgreiche Fernsehserie, die wiederum als Grundlage für Salinas Comic diente. Insgesamt wurden in Deutschland 66 in sich abgeschlossene Episoden veröffentlicht, die seit 1993 auch in einer Großbandausgabe veröffentlicht werden.

CISCO KID von Jorge Luis Salinas 
Salinas gelingt es hervorragend die Atmosphäre des amerikanischen Westens des 19. Jahrhunderts wiederzuerwecken. Seine Zeichnungen sind stimmig und insgesamt gut gelungen. Kleidung, Hintergründe und die individuell herausgearbeiteten Charaktere können durchwegs überzeugen. Die durchwegs spannenden, oftmals aber auch humorvollen Episoden bieten bunte Abenteuer mit Weißen, Indianern und immer wieder mit hübschen Frauen, die Cisco besonders interessieren.
 In Richter Hooks Doppelspiel kommen Cisco und Pancho in eine Westernstadt. Schon vor ihrer Ankunft machen sie die Bekanntschaft eines gut aussehenden jungen, allerdings etwas eigensinnigen Mädchens. Die junge Dame wehrt sich gegen einen Dammbau, weil sie als einzige erkannt hat, dass der neue Damm die Wasserversorgung des Tales bedroht. Cisco und Pancho sind schnell bereit, ihr zur helfen. Natürlich kommt es zu Auseinandersetzungen mit dem Drahtzieher des Unternehmens und seinen Handlangern. Der scheinbar ehrenwerte Richter Hook will den Dammbau mit aller Macht durchsetzen, weil er mit Hilfe des neuen Dammes das Wasser auf seinen Besitz umleiten kann. Cisco sprengt schließlich den Damm, der verbrecherische Richter kommt um und der Held kann kurz die schöne Luzie in seine Arme schließen, bevor ihn eine Nachricht erreicht, die ihn in ein neues Abenteuer führt.

 Mit Cisco Kid boten die Zeitungen, die diese Reihe schon seit 1952 in Deutschland veröffentlichten, einen Westerncomic, der auch von den Lesern mit Vergnügen gelesen werden konnte, denen die primitiven Geschichten der Piccolos zu uninteressant waren. Die in den einzelnen Episoden aufgegriffenen klassischen Westernmotive und vor allem auch die ansprechende Gestaltung der Episoden machen Cisco Kid zu einem wirklichen - wenn auch weitgehend vergessenen - Klassiker der in Deutschland veröffentlichten Westerncomics.

Seit 1963 erschienen bei Walter Lehning in Hannover unter den Titeln Karl May und Winnetou weitere Adaptionen literarischer Vorlagen in Comicform (Großbände). Helmut Nickel und Hartmut Ehrt gelang es hier die klassischen Helden Winnetou und Old Shatterhand in einem neuen Medium einem jugendlichen Publikum zugänglich zu machen. Vorlagen der Abenteuer waren zumeist Karls Mays Romane, die in jeweils mehrerer Heften umgesetzt wurde.

Die zunehmende Präsens amerikanischer Fernsehwesternserien im deutschen Fernsehen seit den 1960er Jahren und die damit verbundenen Popularität der Serientitel bzw. der Protagonisten der Serien führte dazu, dass im Bereich der Printmedien zahlreiche Folgeprodukte auf den Markt geworfen wurden. Neben diversen Jugendbuchreihen zu Serien erschienen auch etliche Comics, die direkte Bezüge zu den gerade im Fernsehen gezeigten Serien hatten. Typischstes Produkt waren wohl die von 1959-1964 veröffentlichten Fernseh-Abenteuer des Neuen Tessloff-Verlags in Hamburg. Die farbig gedruckten Großbände enthielten abgeschlossene Episoden diverser Serien, z.B. aus dem Bereich der Western Rin Tin Tin, Wyatt Earp, Corky, Texas Ranger, Roy Rogers und Dolly [sic!] Evans, Roy Rogers, Bonanza, Der maskierte Reiter, Laramie und Lone Ranger. Der Verlag griff sauf amerikanische Vorlagen zurück, wobei es gelegentlich auch vorkam, dass man Serien angekauft hatten, die überhaupt nicht im deutschen Fernsehen liefen, wie Roy Rogers. Zumeist waren auch diese Abenteuer für ein jugendliches Publikum bestimmt. Vergleichbar war die Reihe Taschenstrip aus dem selben Haus, in der schwarz-weiß Comics zum Abdruck kamen. Auch andere Verlage versuchten diesen Trend mitzumachen. Bei Burda erschien z.B. für den damals stolzen Preis von 1,80 DM Das Original Bonanza Buch, ein farbig gedrucktes Heft mit einem Umfang von 64 Seiten in dem neben Fotocomics auch Porträts der Hauptdarsteller und Informationen über die Serie veröffentlicht wurden.

Seit den 1960er Jahren fanden die Westerngroßbände des Bergisch-Gladbacher Bastei-Verlages weite Verbreitung auf dem Comicmarkt für Kinder und Jugendliche. Nachdem man zunächst mit den Bessy-Geschichten des Belgiers Willy Vandersteen großen Erfolg hatte, folgten mit den Reihen Lasso, Buffalo Bill und Silberpfeil die wohl umfangreichsten deutschsprachigen Westerncomicreihen überhaupt. Von Bessy wurden zwischen 1965 und 1985 in der Hauptreihe fast 1000 Ausgaben gedruckt, Lasso erreichte die Endnummer 647 und bei Buffalo Bill gab es in der Hauptreihe 295 eigenständige Abenteuer nachdem zuvor schon rund 200 Hefte innerhalb der Lasso-Reihe veröffentlicht worden waren. Von Silberpfeil erschienen 768 Hefte. Bei fast allen Bastei-Reihen wurden im höheren Nummernbereich ältere Hefte nachgedruckt; zudem gab es noch weitere Ausgaben in Taschenbuchform und außerdem teilweise auch Zweitauflagen.

BESSY, Nr. 1
LASSO, Nr. 41
Bastei-Comichefte der 1960er Jahre 

Bessy erzählt von den Abenteuern des jungen Andy und seines Collies Bessy im nordamerikanischen Westen. Die ursprünglich von Willy Vandersteen in Belgien konzipierte Serie wurde später auch von anderen Künstlern gezeichnet. Die deutschen Ausgaben bei Bastei hatten oftmals Titelbilder von Klaus Dill. In dem späten Heft 967 (ursprünglich Nr. 340) Der Donnerzauber der Cheyenne finden sich als Einleitung die folgenden Bemerkungen: "Andy und Bessy, die beiden unzertrennlichen Freunde, sind auf dem Weg in das Lager der Cheyenne. Andy will mit dem Stammeshäuptling über den Verkauf von Baumstämmen verhandeln." Die Verhandlungen sind erfolgreich, aber aufgrund der Schurkereien einiger Gauner roter und weißer Hautfarbe überfallen die Indianer die Holzfäller. Andy kann Bessy mit einer Nachricht loschicken und einen Waffenstillstand mit den Indianern vereinbaren. Schließlich gelingt es die Verhältnisse zu klären und die Verbrecher unschädlich zu machen. Die Abenteuergeschichte ist eindeutig für jugendliche Leser konzipiert. Die Texte und Zeichnungen sind bewußt einfach gehalten - die Geschichte ist allerdings nicht ganz logisch, warum die Cheyenne Andys Männer und nicht die Verbrecher überfallen, wird nicht schlüssig geklärt.

Hauptfiguren in den Lasso-Heften waren Reno Kid und sein indianischer Blutsbruder Arpaho. In Chacos letzter Ritt (Nr. 641, ursprünglich Nr. 437) retten sie zunächst die Überlebenden eines überfallenen Waffentransports und versuchen dann als Banditen getarnt Anschluss an Chacos Bande zu finden. Dies gelingt und sie schaffen es eine Gefangene zu befreien und bei einem weiteren Überfall die Verbrecherbande zu vernichten. Die Hauptfiguren erinnern natürlich an die berühmten Blutsbrüder Winnetou und Old Shatterhand während die Handlung in durchaus ähnlicher Form als Vorlage für ein Romanheft hätte dienen können. Das Medium des Comics zwingt Autoren und Zeichner zwar zu Verkürzungen, aber die Gschichte ist insgesamt ganz überzeugend erzählt, obwohl natürlich zahlreiche typische Westernklischees verwendet werden.

Die bei heutigen Sammlern wohl beliebteste Basteiwesterncomicreihe ist ohne Zweifel Buffalo Bill, wobei vor allem die von Hansrudi Wäscher gezeichneten Hefte begehrt sind. Buffalo Bill ist ein idealisierter Held, der in dieser Reihe fast immer mit grauem Hut und rotem Anzug mit grünen Fransen auftritt und den roten oder weißen Schurken des Wilden Westens das Fürchten lehrt. In Der Dämon der Sierra Diablo (Bd. 667, ursprünglich Nr. 461), einem nicht von Wäscher gezeichneten Heft, versucht ein verräterischer Medizinmann einen Krieg zwischen Weißen und Indianern zu entfesseln. Er kauft zu diesem Zweck von einem Dompteur zwei zahme Tiger, um so mehr Macht über seinen Stamm zu gewinnen. Buffalo Bill und der Sohn des Häuptlings können die Pläne des Medizinmanns verhindern, der am Ende des Heftes den Tod findet.

Die hier knapp vorgestellten Basteiwesterncomics zeigen, dass die Hefte dieses Verlages eindeutig für jugendliche Leser bestimmt waren. Die Zeichnungen der farbigen Hefte sind zumeist eher schwach, wenn man einmal von einigen Bessy-Heften, ihren Titelbildern und einigen wenigen Buffalo Bill-Ausgaben absieht. So finden sich vielfach Fehler in der Anatomie der dargestellten Personen oder Tiere und die dilettantisch ausgeführten Hintergründe lassen eine Westernatmosphäre kaum aufkommen. Die Geschichten sind alle einfach, unkompliziert in Handlung und weisen ein klares Gut-Böse-Schema auf, wobei in zahlreichen Heften Motive, die auch aus Romanheften oder Büchern bekannt sind, zur Verwendung kommen. Sie fördern somit - ebenso wie anspruchsvollere Werke - die Mythisierung des amerikanischen Westens.

Rauhfell-Kid aus den SHERIFF KLASSIKERN des BSV-Verlages 
Die frankobelgischen Westerncomics, die seit den 1970er Jahren in Albenform in Deutschland auf den Markt kamen, waren den Lesern teilweise schon aus früheren Veröffentlichungen bekannt. Bessy war schon seit 1958 in Pony und später in Felix veröffentlicht worden, bevor die Reihe als eigenständige Heftserie erschien. Nur ein Jahr später hatte die Reihe Lucky Luke in Der heitere Fridolin ihre Premiere. Die realistisch gezeichneten Abenteuer von Blueberry oder Comanche fanden dagegen erst ab den späten 1960er / frühen 1970er Jahren deutsche Verleger. Wichtigstes Publikationsmedium waren die Comiczeitschriften, von denen hier insbesondere Zack genannt werden muss. Der Koralle-Verlag, der diese Comiczeitschrift veröffentlichte, versuchte zu Beginn der 1970er Jahre auch Comicalben auf dem Markt zu etablieren. In der Zack Comic Box erschienen u.a. Episoden von Umpah-Pah, Lucky Luke oder Leutnant Blueberry. Der Mann mit dem Silberstern (Zack Comic Box, Nr. 4) aus dem Jahr 1973 war das erste Leutnant Blueberry-Album in Deutschland. Die seit den 1960er Jahren von verschiedenen Zeichnern und Textern veröffentlichte Serie, ist inzwischen zu einem Klassiker der Westerncomics geworden. In Der Mann mit dem Silberstern (Zeichnungen: J. Giraud / Text: J.M. Charlier) übernimmt Leutnant Blueberry den Auftrag eine von Verbrechern tyrannisierte Stadt im Westen zu befrieden. Dies gelingt ihm schließlich, wobei er tatkräftig von dem alten Säufer Jimmy MacClure, dem jungem Jimmy und der Lehrerin Katie Marsh unterstützt wird. Mit dem Thema "Town Tamer" greift Charlier eine Standardsituation des Western auf, wobei die Handlung Anleihen beim klassischen Westernfilm erkennen läßt. Die Einsamkeit des Sheriffs und seine fehlende Unterstützung durch die Bevölkerung finden sich in der Eingangssequenz in der die Ermordung des alten Sheriffs geschildert wird. Die verbrecherischen Gebrüder Bass werden unterstützt von einem bestechlichen Richter und einem schurkischen Saloonbesitzer, denen es am Ende gelingt, sich ihrer Strafe durch Flucht zu entziehen. Das Protagonistenteam erinnert zudem frappant an den Film Rio Bravo. Insgesamt ist Der Mann mit dem Silberstern ein gut gezeichnetes Comicabenteuer mit standardisierter Handlung, dem es mit den ansprechenden Zeichnungen hervorragend gelingt die Atmosphäre einer Westernstadt grafisch heraufzubeschwören. Die erzählte Geschichte dürfte für ein jugendliches bis erwachsenes Publikum bestimmt gewesen sein. In späteren Episoden der Blueberry-Serie wurden die Handlungen häufig komplizierter, die grafischen Darstellungen detaillierter und genauer und die vorgestellten Charaktere stärker ausdifferenziert - Leutnant Blueberry dürfte, trotz wechselnder Zeichner und Autoren bis heute die wohl wichtigste realisch gezeichnete Westerncomicreihe aus Frankreich darstellen und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Das Vorwort einer amerikanischen Ausgabe schrieb z.B. Elmer Kelton.




Comicalben aus dem franko-belgischen Raum 

Neben dieser Reihe fanden auch einfacher konzipierte, teilweise für jüngere Leser bestimmte französische Westerncomics ihren Weg in die deutschen Comicläden. Erwähnt seien - ohne Anspruch auf Vollständigkeit Comanche, Flammender Speer, Jerry Spring, Jonathan Cartland, MacCoy oder Durango, die zumeist in eigenen Alben- oder Heftreihen zeitweilig aber auch in der Anthologie-Albenreihe Die großen Edel-Western (1979-1986) ihre Abenteuer erlebten.

Weitaus humoristischer als diese realistischen gezeichneten, gelegentlich düsteren Westerncomics waren Funnies, als deren herausragendstes Beispiel Lucky Luke zu nennen ist. Der "poor, lonesome cowboy" ist ständig unterwegs im amerikanischen Westen und gerät dabei häufig in Auseinandersetzungen mit diversen Schurken oder Banditen. Seine bekanntesten Gegner sind wohl die vier Gebrüder Dalton, die immer wieder seine Wege kreuzen. Daneben begegnen ihm historische Figuren wie die Sängerin Sarah Bernhardt oder die Banditen Belle Star, Jesse James und Billy the Kid. Überhaupt sind Lucky Lukes Abenteuer oftmals eng mit der Geschichte des amerikanischen Westens verbunden. In Stacheldraht auf der Prärie wird die Problematik der freien Weide behandelt, Der singende Draht schildert den Bau der transkontinentalen Telegraphenverbindung und Titel wie Eisenbahn durch die Prärie, Goldrausch oder Der Pony-Express bedürfen keiner Erläuterung. Die Szenarien Goscinnys und die Zeichnungen von Morris zeichnen sich durch Wort- und Bildwitz aus, und sprechen ein breites Publikum vom Kind bis zum Erwachsenen an. Während Kinder zumeist nur die vordergründig humoristischen Aspekte der Serie sehen, bietet sie für den kundigen erwachsenen Leser mit ihren vielfältigen Anspielungen und dem Aufgreifen der Klischees und Mythen des Wilden Westens immer wieder Grund zum Schmunzeln. Der große Erfolg der Reihe in Frankreich und im Ausland führte zu diversen Zeichentrickverfilmungen und auch zu einem Realfilm, die aber - vielleicht einmal abgesehen vom ersten Zeichentrickfilm - nie den Witz des Originalcomics erreichten. Abschließend sei hier noch Arturo de Castillos leider viel zu wenig bekannte klassische schwarz-weiß Reihe John Kendall erwähnt. Kendall verkörpert den einsamen Sheriff, der für Recht und Gesetz sorgt. Dieser Typ ist aus zahlreichen Romanen und Filmen bestens bekannt, findet sich aber im Comicgenre eher selten als Serienheld. Im deutschsprachigen Raum sind nur wenige Episoden von John Kendall erschienen, von den im Verlag Comicothek/Comic Forum angekündigten zehn Alben wurden nur drei veröffentlicht, die jeweils vier etwa fünfzehnseitige abgeschlossene Episoden enthalten. In Hoher Einsatz in Dodge City findet in dieser Stadt ein Pokerspiel zwischen professionellen Spielern statt, an dem nach dem Ausscheiden eines Betrügers auch der Sohn des örtlichen Bankiers teilnimmt. Er verliert eine hohe Summe, die sein Vater eigentlich für den Bahnbau einsetzen wollte. Kendall tritt gegen die Gewinnerin des Geldes an und erhält das Geld zurück. Als er die Karten aufdeckt, erkennt er, dass die Frau eigentlich die besseren Karten hatte, aufgrund der guten Sache des Eisenbahnbaus allerdings auf ihren Gewinn verzichtet hat. Del Castillos Zeichnungen schaffen laut Wolfgang F. Fuchs in ihrer Mischung aus Konkretion und Abstraktion Atmosphäre und befriedigen ästhetisch. "Da wechseln ruhige Sequenzen mit explosiven Szenen, da sprechen Bilder Bände, da entsteht aus Strichen, schwarzen Tuscheflächen und variationsreicher Schraffurtechnik eine von wehmütiger Romantik geprägte Welt."

JOHN KENDALL von Arturo de Castillo 
Insgesamt boten die in den letzten fünfzig Jahren im deutschsprachigen Raum veröffentlichten Westerncomicserien ein breites Spektrum. Ihre Zielgruppen reichten von Kindern bis zu Erwachsenen, wobei heute die Bedeutung des Genres gegenüber vergangenen Jahrzehnten eher abgenommen - die Qualität der in jüngerer Zeit publizierten Werke aber meines Erachtens zugenommen hat. Wünschenswert wären allerdings Neuausgaben einiger Reihen, wobei es sich nicht immer nur um die billig gemachten "Primitivreihen" der 1950er Jahre handeln sollte. Im Gegensatz zu mancher anderern Veröffentlichungsform der Western kam im Bereich der Comics der Humor nie zu kurz: "Lacht nur Banausen! Ich reite jetzt nach Durango und genehmige mir einen ordentlichen Whisky! Dann wird mir wohler!" (Silberpfeil, Nr. 551, S. 26)


Literatur: 

  • Berner, Horst, Morris. Der Mann, der schneller zeichnet als sein Schatten. - In: Die Sprechblase Nr. 114, 1991, S. 21-24; Nr. 115, 1991, S. 22-24 
  • Berner, Horst, Charlier & Giraud: Leutnant Blueberry. - In: Die Sprechblase Nr. 134, 1993, S. 21-24
  • Derouet, Paul, Yves Swolf. Interview mit dem Durango-Zeichner. - In: Die Sprechblase Nr. 59, 1984, S. 54-56 
  • Förster, Gerhard, Hansrudi Wäschers Buffalo Bill. - In: Die Sprechblase Nr. 53, 1983, S. 52-56
  • Förster, Gerhard, Bessy. Hund - willst du ewig leben. - In: Die Sprechblase Nr. 81, 1987, S. 9-19
  • Förster, Gerhard, Interview mit Helmut Nickel. - In: Die Sprechblase Nr. 99, 1989, S. 11-36 
  • Förster, Gerhard, Die Abenteuer von Bessy. - In: Die Sprechblase Nr. 163, 1998, S. 4-61 
  • Förster, Gerhard, Die Legende von Zorro. - In: Die Sprechblase Nr. 155, 1997, S. 27-41; Nr. 156, 1997 S. 33-39 Förster, Gerhard, Zagor alias Rocky. - In: Die Sprechblase Nr. 172, 2000, S. 9-16
  • Fuchs, Wolfgang J. / Reitberger, Reinhold C., Das grosse Buch der Comics. Anatomie eines Massenmediums. Gütersloh o.J. 
  •  Fuchs, Wolfgang J., Arturo del Castillo. Der Westernzeichner aus Südamerika. - In: John Kendall. Band 3, Wien 1986, S. 65 
  • Fuchs, Wolfgang J., Rauchende Colts - Gunsmoke. - In: Comicforum Nr. 25/26, S. 55-60 
  • Habarta, Gerhard (ed.), Comic Welten. Die Ausstellung. Wiener Neustadt 1992 
  • Harms, Rüdiger, Buffalo Bill. Ein Plädoyer. - In: Die Sprechblase Nr. 62, 1984, S. 9-11
  • Havas, Harald H., Es war einmal im Wilden Westen... Frankreichs Cowboy Nr. 1 wird 40. - In: Comicforum Nr. 40, 1988, S. 52-57 
  • Herrmann, Günter, Flammender Speer. Die Abenteuer eines Indianerjungen. - In: Die Sprechblase Nr. 38, S. 19-21 
  • Hilland, Martin, Bessy. Faszination ener Serie. - In: Die Sprechblase Nr. 130, 1993, S. 30-38; Nr. 131, 1993, S. 39-43; Nr. 132, 1993, S. 38-43 
  • Hilland, Martin, Hansrudi Wäschers Buffalo Bill. - In: Die Sprechblase Nr. 167, 1999, S. 19-22
  • Kampl, Herbert, Tony Stark. Ein echter Western. - In: Die Sprechblase Nr. 88, 1987, S. 36-40
  • Knigge, Andreas C., Fortsetzung folgt. Comic Kultur in Deutschland. Frankfurt/M - Berlin 1996
  • Knüppel, Joachim, Günther Rohde. - In: Die Sprechblase Nr. 165, S. 10.16 
  • Kottke, Helmut, Yabu. Eine Comic Serie des Semrau-Verlages. - In: Die Sprechblase Nr. 131, S. 18-22, 61-66 
  • Kottke, Helmut, Texas. - In: Die Sprechblase Nr. 133, 1993, S. 12-23 
  • Krägermann, Andreas (ed.), Krägermanns Comic Katalog 1997/1998. Berlin 1998 
  • Lorenz, Detlev, Wildtöter. - In: Die Sprechblase Nr. 21 
  • Lorenz, Detlev, Prärie. - In: Die Sprechblase Nr. 76, 1986, S. 58-61 
  • Lorenz, Detlev, Hot Jerry. - In: Die Sprechblase Nr. 128, 1993, S. 12-19 
  • Pohl, Peter, A.H.Palacios. - In: Die Sprechblase Nr. 16, 1978, S. 11-12 
  • Rautenstrauch, Wolf, Winnetou. Karl Mays Erzählungen und Helmut Nickels Comicversion. - In: Die Sprechblase Nr. 23, 1979, S.9-15; Nr. 26, 1980, S. 39-43 
  • Rautenstrauch, Wolf, Winnetou. Checkliste. - In: Die Sprechblase Nr.27, 1980, S. 20-21
  • Rautenstrauch, Wolf, Comanche. Bemerkungen zu den ersten sieben Episoden der belgischen Comicserie. - In: Die Sprechblase Nr. 29, S. 15-21 
  • Skodzik, Peter, Deutsche Comic Bibliographie. Frankfurt/M - Berlin - Wien 1985 
  • Skodzik, Peter / Norbert Hethke (ed.), Allgemeiner Deutscher Comic-Preiskatalog 2001. Schönau 2001 
  • Tschernegg, Markus, Flammender Speer. - In: Comicforum Nr. 10, 1981, S. 44-47 Tschernegg, Markus, Leutnant Blueberry. - In: Die Sprechblase Nr. 13 
  • Tschernegg, Markus, Die Wilden. Im Weste(r)n viel Neues. - In: Comicforum Nr. 53, 1991, S. 32-34
  • Tschernegg, Markus, Colin Wilson. Der Mann, der aus der Hitze kam oder: Auch Comic-Helden waren einmal jung! - In: Die Sprechblase Nr. 84, 1987, S. 44-51 
  • Wilkens, Thorsten, Interview mit Hermann. - In: Die Sprechblase Nr. 40, 1981, S. 30-31 


Der vorstehende Beitrag erschien in leicht veränderter Form in Studies in the Western erstmals im Jahr 2000. Für die WEB-Fassung wurden das Layout angepasst sowie einige Abbildungen hinzugefügt.


Karl Jürgen Roth

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