Jeder kennt die
Geschichte des Films „Candyman“. Sagt man den Namen des untoten
Mörders fünf mal vor dem Spiegel, erscheint er. Schaut man sich den
Film jedoch mehrfach bewusst an, stellt man fest – das geschieht
gar nicht.
Helen Lyle schreibt an
ihrer Doktorarbeit über urbane Legenden. Dabei stößt sie auf die
Geschichte des Candyman und nimmt sich dieses Themas an.
Dabei wird auch die
Geschichte einer jungen Babysitterin erzählt, die mit ihrem Freund
den Versuch unternimmt, den Candyman zu rufen und beide werden
ermordet. Doch diese Geschichte ist nicht wahr, sie gehört zur
Legende.
Dann nimmt sie sich der
Geschichte einer Frau an, die in der Badewanne ermordet wurde, weil
der Candyman aus dem Spiegel kam. Sie geht in das Viertel Caprini
Green, wo sich die Geschichte abgespielt hat, Dabei findet sie eine
verlassene Wohnung, die man durch den Spiegel betreten kann, weil bei
den Wänden an Material gespart wurde.
Bei ihren weiteren
Untersuchungen wird sie von einem Kriminellen angegriffen, der sich
als Candyman ausgibt. Sie kann ihn identifizieren und damit die
Legende des Candyman widerlegen.
Das ruft den wahren
Candyman auf den Plan, der seine Existenz gefährdet sieht.
Mehrfach sagt er ihr
„Sei mein Opfer!“ Damit meint er nicht, dass er sie töten will.
Er hat sie ausgewählt, seine Nachfolge anzutreten, weil sie seinen
Nachfolger gestoppt hat. Und tatsächlich begeht er seine Morde so,
dass es aussieht, als wäre Helen die Täterin.
Erst im zweiten Teil
geschieht es, dass der Candyman vor dem Spiegel gerufen werden kann.
Dabei ist es unklar, ob der Fluch funktioniert oder ob er das nur tut,
um die Legende weiter am Leben zu erhalten.
Das Thema Rassismus
wird im Film aufgegriffen, in der Originalgeschichte „The
Forbidden“ aus den „Büchern des Blutes“ kommt es nicht vor. Es
passt aber gut zu dem sozialkritischem Aspekt. Leider geht das
eigentlich Dramas der Geschichte dabei aber unter. Nämlich dass
Helen, die durch ihre Arbeit an der Legende ihren Platz im Leben zu
finden hofft, sich selbst ins Verderben führt und darin eingeht. Ein
Thema, das sich in Clive Barkers Büchern und Geschichten sehr häufig
findet.
Der vierte Teil kehrt
wieder zur Geschichte des ersten zurück, auch wenn das erst später
klar wird.
Der Titel, der einfach
„Candyman“ lautet, erweckt den Eindruck, es handelt sich um ein
Remake bzw. einen Neustart. Tatsächlich greift er die Ereignisse des
ersten Teil direkt auf.
Anthony McCoy ist ein
bekannter Künstler, der nach Caprini Green zieht. Dort stößt er
auf die Legende des Candyman und macht sie zum Thema seiner Kunst.
Doch die Legende des Candyman hat sich geändert, es geht um einen
alten Mann, der Süßigkeiten verschenkt hat, bis irgendwann
Rasierklingen in den Bonbons auftauchten. Doch auch Helens Geschichte
ist Teil der Legende. Allerdings wird diese verzerrt wiedergegeben.
Sie wird so erzählt, als ob Helen die Morde des Candyman verübt
hätte. Auch die Rasierklingen in den Bonbons kamen schon im
ursprünglichem Film vor. Helen fand sie in der verwüsteten Wohnung,
in der der falsche Candyman hauste.
Anthony weiß nicht,
dass er das Baby war, das vom Candyman entführt wurde und er
ebenfalls als Nachfolger ausgewählt ist.
Die Geschichte, dass er
durch das Nennen seines Namens gerufen wird, erweckt den Eindruck es
handelt sich um eine der üblichen Slasher-Filmreihen ohne Tiefe.
Dabei haben diese Filme so viel mehr zu bieten.
Gerade Tony Todd hat
mit seiner ruhigen Ausstrahlung, die jederzeit in extreme Brutalität
umschlagen kann und wird, viel zum Erfolg der Filme beigetragen. Und
auch Virginia Madsen vermittelt die Verzweiflung Helens so
überzeugend, dass sie dem Film die Stimmung gibt, die er für ein
ernstes Psychodrama braucht.
Die Musik des Films von
Philip Glass spielt ebenfalls eine große Rolle. Seiner eigenen
Aussage nach wusste er nicht einmal, dass er die Musik für einen
Horrorfilm komponierte, sondern glaubte, dass es für ein Drama wäre
(Was es ja auch ist).
© by Michael
Sonntag – im Andenken an Tony Todd