Sonntag, 13. April 2025

Der Mann, der den Zombie ans Glockenseil hängte: Lucio Fulci

 Der Mann, der den 
 Zombie ans Glockenseil hängte – 
 Eine Verteidigung Lucio Fulcis



Ein Gastbeitrag von Michael Sonntag

Der Film „Ein Zombie hing am Glockenseil“ hat unter Horrorfans einen gewissen Kultstatus. Neben dem bescheuertem deutschen Titel (Eine Übersetzung des Originaltitels hätte den Titel „Angst in der Stadt der lebenden Toten“ gehabt, was ganz anders geklungen hätte) mag auch der Medienzirkus um die Gefährdung der Jugend durch diesen Film eine Rolle gespielt haben. - Es gab einige Reportagen zu dem Thema, die bekannteste „Mama Papa Zombie“ findet man auf youtube und selbst die hat ihre Fans. 

Gerade die Versuche, den Film zu verbieten, machten ihn erst populär. Und dann natürlich die nicht weniger dämlichen Slogans aus dem Trailer. - „Was nutzen Messer gegen Zombies? Vor allem gegen den, der am Glockenseil hing?“ - Ein riesiger Spaß für Trashfans.

Letzten Endes gilt der Film als eine Aneinanderreihung von brutalen Splatter- und Ekelszenen ohne einen sinnvollen Zusammenhang und gerade deswegen mögen ihn so viele Fans. Doch ist das wirklich so? In den 80ern wurde das Medium Videokassette immer beliebter. Videotheken schossen wie Pilze aus dem Boden und es wurden massenweise Filme produziert, die gar nicht ins Kino kamen, sondern direkt als Kassetten im Verleih und/oder Verkauf landeten. Darunter waren nach dem Erfolg von George Romeros „Night of the living dead“ und „Dawn of the dead“ auch viele Filme, in denen die umhergehenden Menschen verschlingenden Toten im Mittelpunkt standen. Oft bestanden die Filme einfach nur aus kurzen Dialogen zwischen jeder Menge Metzel- und Fressszenen und in diese Kategorie wird auch Fulcis Film eingeordnet. Doch tatsächlich passt er da nicht hin. In diesem Film findet man weder den Zombie aus der klassischen Mythologie, der von einem Voodoo-Priester gesteuert wird, noch den neuen Typ, den eben jener George Romero erfand, und der fleisch- oder hirnfressend ohne Ziel umherirrt.

Denn die Untoten sind keine ferngelenkten Puppen noch hirnlose Fressmaschinen, sondern von einem teuflischen Geist beseelte und gezielt planend vorgehende Dämonen. Dabei verfügen sie selbst über eine Vielzahl übernatürlicher Kräfte, die sie auch einsetzen. Der Begriff „Zombies“ kommt im Film auch gar nicht vor.

Es ist kein Zombiefilm, sondern ein raffiniert inszenierter mystischer Thriller. Oder soll es ein. Denn es scheint, als hätte Fulci hier einen solchen im Sinn gehabt, aber irgendwie nicht gewusst, wie er ihn hinbekommt. Die Inspirationen von Dante Alighieris „Göttlicher Komödie“, aus antiken Mythologien und H.P. Lovecrafts Werk hätten einen durchaus genialen Horrorfilm hervorbringen können und sollen. Doch irgendwie wurden die brillanten Ideen nicht angemessen umgesetzt und so bleiben eben nur die anfangs erwähnten Splatterszenen im Gedächtnis. Wir haben hier keinen schlechten Film, sondern ein Meisterwerk, das nie zu einem solchen geschaffen wurde, und irgendwie komplett daneben ging. Dabei besteht der Fehler nicht nur aus den billigen Masken der Untoten. Die hätte man noch verziehen, vor allem, da gerade am Ende in den Höhlen unter dem Friedhof das Ganze so eine schön bizarr-unheimliche Stimmung aufkommen lässt. Vielmehr ist es so, als hätte man sich irgendwie von Szene zu Szene gekämpft. Ohne ein Drehbuch und mit dem verzweifelten Versuch, irgendwie die Kurve zu bekommen. (Es soll wohl doch ein Drehbuch gegeben haben, doch davon merkt man eben nichts.)

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Im zweiten Teil der Hellgate-Trilogie wirkt es, als wäre Fulci hier viel strukturierter vorgegangen. Zwar ist „Die Geisterstadt der Zombies“ bzw. „Über dem Jenseits“ ähnlich billig produziert, doch hier steht die mystische Kraft, die aus dem Höllentor kommt, mehr im Vordergrund. Zwar gibt es ähnlich grausame Metzel- und Ekelszenen, doch der Film ruht sich nicht darauf aus. Vielmehr werden der Spuk und das Mysterium des Hotels bzw. des darunter liegenden Höllentores weitaus besser ausgearbeitet. Dabei erreicht der Film nicht den Kultstatus des Vorgängers. Eben weil er auch etwas mehr Anspruch voraussetzt. Als würde er endlich das sein, was Fulci mit dem „Glockenseil“ zeigen wollte. Ebenso wie in „Glockenseil“ stand auch hier nicht viel Budget zur Verfügung und die Kritik reduzierte ihn ebenfalls auf die Schockmomente, ohne der Handlung viel Beachtung zu schenken. Gerade weil diese den Filmen in den meisten Besprechungen nicht zugestanden wird, gerät sie aus dem Blickfeld. Man erwartet einen sinnlosen Metzelfilm und aus dieser Erwartung heraus sieht man auch nur den. Dabei steckt viel mehr in diesen Filmen, als beim oberflächlichen Schauen auffällt.

Leider war Fulci kein so brillanter Regisseur, als dass er seine Vision hätte wirklich zeigen können, doch muss man ihm bei allem Trashfaktor zugestehen, dass er eine Vision zu einem echten Meisterwerk hatte. Auch, wenn es diese leider nicht auf die Videobänder geschafft hat.

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Den dritten Teil der Hellgate-Trilogie „Das Haus an der Friedhofsmauer“ überspringe ich jetzt. Zwar passt er atmosphärisch und erzähltechnisch perfekt in die Reihe, aber nicht inhaltlich. Denn die Höllentore spielen hier keine Rolle mehr. Im zweiten Teil ist die Rede von sieben Höllentoren und es wäre vielleicht noch genug Potenzial für weitere Filme gewesen. Wer weiß, wenn er sich von Film zu Film so gesteigert hätte wie vom ersten zum zweiten Teil dann wäre irgendwann sogar das heraus gekommen, was Fulci hatte zeigen wollen.


EIN ZOMBIE HING AM GLOCKENSEIL
Paura nella città dei morti viventi 
Italien 1980

Regie: Lucio Fulci
Drehbuch: Dardano Sacchetti / Lucio Fulci
Darsteller: Christopher George (Peter Bell), Catriona McColl (Mary Woodhouse), Fabrizio Jovine (Pater William Thomas)


DIE GEISTERSTADT DER ZOMBIES / ÜBER DEM JENSEITS
E tu vivrai nel terrore – L'aldilà 
Italien 1981

Regie: Lucia Fulci
Drehbuch: Dardano Sacchetti / Gorgio Mariuzzo / Lucio Fulci
Darsteller: Catriona McColl (Lisa Merill), David Warbeck (John McCabe), Antoine Saint-John (Schweick)

Michael Sonntag

 











































Bei PoMeWe MAGAZIN stellen wir einzelne Medien oder Autoren in Form von bibliografischen Notizen, Miszellen oder kürzeren Essays vor. Gerne sind Gastbeiträge möglich.

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