Texas-Melodien
... Deutsche „Westernschlager“ der fünfziger und sechziger Jahre ...
Bill
Haley’s „Rock Around the Clock“ und vor allem die zahlreichen Titel von Elvis
brachten den Rock ‘n Roll den deutschen Jugendlichen nahe. Diese amerikanische
Musikrichtung wurde auch von deutschen Textdichtern und Komponisten
aufgegriffen, etwas an den hiesigen Geschmack angepaßt und durch Sänger wie
Peter Kraus oder Ted Herold popularisiert.
Allerdings
drehten sich auf den deutschen Plattentellern nicht nur amerikanische oder deutsche
Rock ‘n Roll-Scheiben. Weitaus häufiger waren im Radio deutsche Schlager zu
hören. [2]
In einigen von ihnen spielte auch der amerikanische Westen eine Rolle. [3]
Der Holländer Bruce Low wurde 1955 mit Das
alte Haus von Rocky Docky populär und feierte zwei Jahre später mit dem
sentimentalen Lied Es hängt ein
Pferdehalfter an der Wand,
[4]
welches zuvor auch schon von zahlreichen anderen Interpreten aufgenommen worden
war, [5]
einen weiteren großen Erfolg. Das Kölner Medium-Terzett behauptete Von den blauen Bergen kommen wir, Gus
Backus begeisterte sein Publikum mit Da
sprach der alte Häuptling der Indianer (1961), [6]
Gitte verlieh ihrem Wunsch Ich will ‘nen
Cowboy als Mann (1963) lautstark Ausdruck [7]
und Sänger wie z.B. Ralf Paulsen sangen von High
Noon - Tex Ritters Originalversion diente als Vorlage - oder von Bonanza. Während diese Titel zu
Evergreens geworden sind, die auch heute noch gelegentlich in Oldiesendungen
gespielt und gesungen werden, sind die meisten anderen deutschen
„Westernschlager“ der fünfziger und sechziger Jahre in der breiten
Öffentlichkeit vergessen.
Ich
kann heute nur einige dieser vergessenen Lieder aufgreifen, die in Verbindung
mit unserem Thema „Texas“ stehen. Am 18. März 1954 nahm der Holländer Bill
Kilima mit seiner Gruppe, den Kilima Hawaiians, die vorwiegend mit
Hawaii-Liedern wie Eine Insel aus Träumen
geboren bekannt geworden waren, den „Westernschlager“ Ich möcht so gerne Cowboy sein auf. Bei Aufführungen ihrer
Westernlieder trat die Gruppe übrigens standesgemäß in Cowboy-Kostümen unter
dem Namen „Bill Kilima’s Singing and Swinging Cowboys“ auf. [8]
Rosita Conchita: Mississippi-Melodie (Single 19960er Jahre) |
Neun
Jahre später griff der singende Ex-Sportler Martin Lauer - der immerhin während
der Olympischen Spiele 1960 eine Goldmedaille als Teilnehmer der deutschen 4 x
100 m Staffel gewonnen hatte - das Bild des freien Cowboys auf. In dem am 23.
Januar in dem Kölner Messestudio aufgenommenen Schlager Wenn ich ein Cowboy wär bedauert er, daß er nicht so frei ist wie
die Cowboys am Rio Grande, die weitaus verwegener als ein verliebter junger
Deutscher um die Gunst ihrer Freundin werben dürfen. Somit verwundert es kaum,
daß mit Taxi nach Texas (1964) und
mit Ich will morgen schon in Texas sein (1963)
weitere Schlager Martin Lauers veröffentlicht wurden, in denen er einen
Aufenthalt in Texas als Ziel seiner Wünsche bezeichnet. [10]
Ich will morgen schon in Texas sein ist ein Duett zwischen Martin Lauer und Peter Alexander,
die ihre jeweiligen Gesangsparts getrennt aufnahmen. Das Lied wurde dann im
Studio zusammengemixt. Dem Text zufolge möchte Martin seine Heimat verlassen
und schon am nächsten Tag in Texas sein. Seine Freundin überläßt er großzügig
Peter, „denn das Fernweh ist eine Macht“, die ihn ins Land der Cowboys zieht.
Auch der im Gegensatz zum „kleinen Bill“ der Kilima Hawaiians erwachsene Martin
hat Sehnsucht nach Texas, welches in Konnotation mit dem Begriff „Cowboy“ hier
gleichfalls als Land der Sehnsucht vorgestellt wird. Es ist allerdings auch ein
Land in das der Sänger von seinem „Fernweh“ gezogen wird. Fernweh bezeichnet
hier zugleich ein Gefühl des „weg von zu Hause“, der Befreiung von heimischen Bindungen,
den Wunsch etwas Neues zu sehen und zu erleben.
Erlebnisse
eines Texas-Cowboys, der im Land der Sehnsucht lebt, beschreibt Mal Sondock in
dem 1964 veröffentlichten Schlager Texas-Cowboy
und Mexiko-Girl. Ein armer texanischer Cowboy verliebt sich in ein reiches
mexikanisches Mädchen, deren Vater gegen die Verbindung ist, denn der Cowboy
„... wäre kein Caballero und hätte auch keinen Sombrero“. Trotz allen Flehens
lässt sich der Vater des Vaters nicht erweichen. Insbesondere die unfreiwillig
oder freiwillig (?) komischen Reime - wie um ein zweites Beispiel zu nennen
„und die Tochter bat den Daddy, ach laß mit doch meinen Freddie“ - sind
charakteristisch für das anspruchslose Liedchen, welches aber zumindest eine
ganz nette Melodie besitzt.
Etwas
spezifischer auf texanische Verhältnisse scheinen einige weitere deutsche
„Westernschlager“ aus den frühen 1960er Jahren einzugehen. Ralf Paulsen
behauptete in Der rote Reiter von Texas, daß
dieser „wieder mal Ordnung im Land“ schaffe. Dies erinnert an oder auch an den bekannten amerikanischen Serienhelden The Lone Ranger, der in zahlreichen
Erzählungen, Hörspielen, Filmen und auch in einer Fernsehserie den
amerikanischen Westen von Schurken säuberte. Warum es sich in Ralf Paulsens
Lied um einen roten Reiter handelt, wußte wohl nur der Texter des Liedes, es
sei denn, er hätte an den amerikanischen Comic Red Ryder von Fred Harman gedacht.
[11]
Am 19.
Juni 1961 widmeten die Oklahoma Boys sich dem Thema Ranger, welches zur
damaligen Zeit auch in Form einer Fernsehserie in den deutschen Medien präsent
war.[12]
Sie nahmen ihre Texas-Ranger-Melodie
auf.[13]
Schon im zweiten Vers wird auf die „Prärie“ als Ort der Handlung hingewiesen.
Die „Sterne glühen“, die „Wolken ziehen“ und wenn der Ranger einsam seinen
Pflichten nachkommt, bzw. abends von zu Hause träumt, holt er sein Banjo heraus
und sein Mädchen muß auf ihn warten. Liebe und diesesmal die Sehnsucht nach zu
Hause (allerdings wohl irgendwo in Texas) spielen also die entscheidende Rolle.
Der Refrain des Schlagers reißt den Ranger allerdings aus solchen sentimentalen
Gedanken: „Du bist ein Ranger und dein Leben ist voller Gefahren, du bist ein
Ranger drum sei stolz, wie die Ranger es alle sind.“ Damit wird er zum Helden,
der bereit sein muß, allen Gefährdungen zu trotzen.
Während
die bislang vorgestellten „Westernschlager“ zum Thema Texas den Federn
deutscher Komponisten und Texter entsprungen sind, griffen die Produzenten der
Schlager gelegentlich auch auf alte bzw. gerade aktuell in Hitlisten stehende
amerikanische Vorlagen zurück. Zumeist wurden die Melodien beibehalten und neue
deutsche Texte erfunden. Ein Beispiel, dessen Original auf den amerikanischen
Folksong The Yellow Rose of Texas
zurückgeht, sei hier vorgestellt.
Das
Kölner Medium Terzett erzählt die Geschichte der Gelben Rose. [14]
Auf dem Weg von Alabama findet der Ich-Erzähler des Liedes, ein Mädchen,
welches er als Gelbe Rose bezeichnet,
er zieht weiter, möchte aber zu ihr zurückkehren. Begriffe wie Lagerfeuer,
Sterne, blaue Berge, Prärie, Reiten und Texas stehen auch hier wieder für die
Romantik und das Abenteuer des Wilden Westens. Genau wie im Originaltext des
Liedes bleibt es bei einer Liebesgeschichte. Ausgeblendet wird allerdings, daß
es sich bei der „Yellow Rose“ um die farbige Emily Morgan West gehandelt hat,
die der texanischen Legende zufolge den mexikanischen General Santa Anna durch
ihre Reize so betört hat, daß er es versäumte, seine Soldaten in der Schlacht
von San Jacinto am 21. April 1836 zu führen. Während in den Vereinigten Staaten
die Sängerin Faith Petric 1983 eine textliche Neufassung von The Yellow Rose of Texas aufnahm, in
der sie diese Geschichte nacherzählte, bot eine weitere deutsche Version, die
Bruce Low und auch Martin Lauer als Wenn
die Sonne scheint in Texas aufnahmen, bloß eine andere Liebesgeschichte
über die „schönste aller Rosen“ den „geliebten Herzensschatz Rosalie“.
Als
Marty Robbins - inzwischen längst klassisch gewordene - Westernballade El Paso 1959 veröffentlicht wurde,
versuchte das österreichische „Western Trio“, welches aus den ansonsten solo
auftretenden Interpreten Lolita, Rudolf Kreuzberger und Jörg-Maria Berg
zusammengestellt wurde, mit einer deutschen Version an diesen Erfolg
anzuknüpfen. [15] Die
sentimental vorgetragene Geschichte von der nicht mehr erwiderten Liebe Bills zu
Marie, die ihn verlassen hat, ist musikalisch geschickt arrangiert und auch
gesanglich ganz annehmbar wiedergegeben, ihr fehlt allerdings der besondere
Flair den Marty Robbins „Gunfighter-Ballad“ ausströmt. Somit verwundert es
kaum, daß selbst in Deutschland in den frühen 1960er Jahren die Originalversion
erfolgreicher war als die Fassung des Western Trios. [16]
Bemerkenswert erscheint zudem, daß in der deutschen Version die Revolverkämpfe
der Originalfassung und damit ein konstituierendes Element des Mythos des
amerikanischen Westens ausgespart werden.
In den
wenigen hier kurz vorgestellten deutschen „Texas-Schlagern“ der 1950er und
1960er Jahre stehen verschiedene Themenschwerpunkte im Mittelpunkt.
Sentimentale Liebesgeschichten mit glücklichem, unglücklichem oder offenem
Ausgang wie in El Paso Texas-Cowboy und Mexiko-Girl, Gelbe Rose oder Wenn die Sonne scheint in Texas sind wie in zahlreichen anderen
Schlagern der damaligen Zeit wichtigstes Thema. Hinzu kommt allerdings das häufige
Auftreten von Begriffen wie Prärie, Cowboy, Lagerfeuer, blaue Berge, Ranger,
Banditen, etc. In engem Zusammenhang stehen sie mit den gleichfalls erwähnten
Schlagworten Sehnsucht, Fernweh und Abenteuer für ein besonderes Gefühl von
Freiheit und Romantik. Sie sind in deutschen Sprachraum in Verbindung mit
Liedern schon vor den „Westernschlagern“ der fünfziger oder sechziger Jahre
belegt. Neben allgemeinen Reminiszensen hinsichtlich der literarischen Romantik
des 19. Jahrhunderts kommen vor allem Erinnerungen an die Wander- und
Fahrtenlieder der Jugendbewegung des frühen 20. Jahrhunderts auf, die auch
während der nationalsozialistischen Zeit in Jungvolk und Hitlerjugend gepflegt
wurden und in den fünfziger und sechziger Jahren gleichfalls noch einen hohen Bekanntheitsgrad
aufwiesen. Neu sind in den vorgestellten „Texas-Schlagern“ der Cowboy als
typisch amerikanischer Archetyp des Abenteurers und Texas bzw. die Prärie als
Landschaft des Abenteuers. Texas dürfte hier als Synonym für den Wilden Westen
an sich stehen.
Die
„Westernschlager“ der fünfziger und sechziger Jahre mit ihren zumeist sehr
banalen Texten waren insgesamt gesehen nur eine marginale Episode in der
Geschichte der deutschen Unterhaltungsmusik. Ihre Popularität sollte allerdings
auch im Zusammenhang mit dem weitgehend positivem Amerikabild der damaligen
Zeit und entsprechenden Leitbildern der amerikanischen Kultur gesehen werden,
welche nicht zuletzt durch andere Medien wie Film und Literatur in den
Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg im deutschen Sprachraum vermittelt
wurden. Hier explizit betonte Werte, wie Freiheit und Individualismus, standen
nicht zuletzt auch für das Bild der demokratischen amerikanischen
Regierungsform.
Man
könnte bei einer weitgehenden Interpretation zu der Hypothese gelangen, daß
sich in den deutschen „Westernschlagern“ der fünfziger und sechziger Jahre
Elemente aus den antizivilisatorischen Vorstellungen der Jugendbewegung vor dem
Hintergrund der mythischen Landschaft des amerikanischen Westens bzw. Westerns
zu einer Wunschwelt verbinden, die mit den realen Gegebenheiten nichts zu tun
hat. Wie Ralf Paulsen in einem seiner neueren Lieder einmal geschrieben hat,
träumten die Freunde dieser Lieder vielleicht aber auch bloß „von Freiheit,
Liebe, Glück und Geld“ bzw. von „einer heilen Welt“. [17]
(Der Beitrag erschien erstmals in Rainer H.
Schmeissner (Hg.): Country & Western Jahrbuch 2000. Regensburg 2000.
Für die WEB-Fassung wurde nur das Layout angepaßt.)
[1] Beim folgenden Beitrag handelt es sich um die
schriftliche Fassung eines Vortrages, den ich am 6. Juni 1998 während einer
Tagung der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Western / The German
Association for the Study of the Western zum Thema „Texas im Western“ in Schloß
Friedewald gehalten habe. Für die Druckfassung wurden Anmerkungen hinzugefügt,
ansonsten wurde bewußt der Vortragsstil beibehalten.
[2] Vgl. dazu u.a. Thommi Herwerth, Itsy Bitsy Teenie Weenie. Die deutschen Hits der Sixties, Marburg 1995.
[3] Die deutschen „Westernschlager“ der fünfziger und
sechziger Jahre sind bislang m.W. noch nicht wissenschaftlich behandelt worden.
Somit können die folgenden Ausführungen auch nur eine erste Annäherung
darstellen, zumal ich mich auf die Vorstellung von Liedern beschränke, in denen
Texas eine Rolle spielt.
[4] Die ähnlich sentimentale Originalversion des Liedes
„There’s a Bridle hanging on the Wall“ wurde in den 1940er Jahren in den USA
von Carson Robison gesungen. Zu der Version von Bruce Low vgl. die kurzweilige,
wenn auch etwas überzogene Interpretation von Jürgen Roth, Melancholie im Spätkapitalismus. Bruce Low: Es hängt ein Pferdehalfter
an der Wand (1957), in: Max & Moritz (Hrsg.), Schlager, die wir nie vergessen. Verständige Interpretationen.
Leipzig 1997, S. 52-59.
[5] Die Kilima Hawaiians, eine holländische Gruppe, hatte
schon 1954 für ihre Interpretation des Liedes, die mehr als eine Million Käufer
fand, eine Goldene Schallplatte erhalten. Vgl. Elmar Kraushaar, Begleitheft zu
Kilima Hawaiians, Es hängt ein Pferdehalfter
an der Wand, Bear Family Records Hambergen (BCD 15817).
[6] Vgl. Peter Kemper,
Wiesbadens wilder Westen. Gus Backus: Da sprach der alte Häuptling der
Indianer(1961), in: Max & Moritz (Hrsg.), Schlager, die wir nie vergessen. Verständige Interpretationen.
Leipzig 1997, S. 125-130.
[7] Vgl. Dieter
Bartetzko, An der langen Leine. Gitte:
Ich will ‘nen Cowboy als Mann (1963), in: Max & Moritz (Hrsg.), Schlager, die wir nie vergessen. Verständige
Interpretationen. Leipzig 1997, S. 150-155.
[8] Wiederveröffentlichung des Liedes auf: Kilima Hawaiians,
Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand,
Bear Family Records Hambergen (BCD 15817-AH).
[9] Vgl. dazu Bill C. Malone, Country Music, U.S.A. Revised Edition, University of Texas Press Austin
Second Printingt 1991, S. 152 f.
[10] Wiederveröffentlichungen auf Martin Lauer, Taxi
nach Texas, Bear Family Records Hambergen (BCD 15485-AH).
[11] Diese Comics sind m.W. nicht in Deutschland in Heftform
veröffentlicht worden.
[12] Zwischen 1959 und 1962 wurden im Ersten Deutschen
Fernsehprogramm (der heutigen ARD) 19 Episoden der Serie Die Texasrangers. Aus der Geschichte einer berühmten Polizeitruppe
(im Original: Tales of the Texas Rangers)
gezeigt. Vgl. Karl Jürgen Roth, Bildschirm-Cowboys.
Westernserien im deutschen Fernsehen, in: Studies in the Western, Vol. V,1997, S. 115-137, hier S. 128.
[13] Wiederveröffentlichung auf: El Paso und andere wahre Geschichten aus dem Wilden Westen, Bear
Family Records, Hambergen (BCD 16174-AH).
[14] Wiederveröffentlichung auf Tom Dooley. 32 Schlager westwärts, G.I.B. Music 1997 (Katalog-Nr.
3834164 2).
[15] Wiederveröffentlichung auf: El Paso und andere wahre Geschichten aus dem Wilden Westen, Bear
Family Records, Hambergen (BCD 16174-AH).
[16] Vgl. Begleittext zu El
Paso und andere wahre Geschichten aus dem Wilden Westen, Bear Family
Records, Hambergen (BCD 16174-AH).
[17] Vgl. Ralf Paulsen, Ich
sing die alten Westernsongs, veröffentlicht auf Ralf Paulsen, Meine schönsten Westernsongs, da music
Deutsche Austrophon GmbH, Diepholz (CD 77232).
(Karl Jürgen Roth)
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