Samstag, 9. Februar 2019

TriMag 0008


Zum Frauenbild im deutschsprachigen Amerikaroman des 19. Jahrhunderts

  
Die Frauen im deutschen Amerikaroman des 19. Jahrhunderts[1] sind nicht die Frauen, die wir aus der Lektüre von Westernromanen unserer Zeit kennen - genau so wenig, wie der deutsche Amerikaroman des vergangenen Jahrhunderts unbedingt ein Westernroman ist.[2] In ihm spielen auch andere Facetten des deutschen Amerikabildes eine Rolle, er schildert z.B. das Leben von Auswanderern und stellt die Probleme dar, die Ankunft, Ansiedlung oder Assimilation in einem neuen Heimatland mit sich bringen können.
Otto Ruppius, der selbst nach 1848 Deutschland verlassen hatte und etliche Jahre in den Vereinigten Staaten verbrachte, rückte in seinen zahlreichen Romanen und Erzählungen, das Leben von Einwanderern immer wieder in den Vordergrund. Handlungsorte dieser vielfach in besseren Gesellschaftsschichten spielenden Werke sind zumeist die großen Städte des Ostens.[3] Solche Texte sollen im Folgenden allerdings nicht berücksichtigt werden.
Es seien dagegen einige Romane und Erzählungen herausgegriffen, die von bekannten Autoren der Zeit verfasst, ausführlicher auf das Leben von Frauen eingehen. Zunächst aber einige Worte zu den Verfassern der Bücher.
Nach dem großen Erfolg der Lederstrumpf-Romane James Fenimore Coopers in Deutschland wählten auch deutschsprachige Autoren Nordamerika verstärkt als Handlungsort ihrer Romane. Auf Charles Sealsfield, der eigentlich Karl Postl hieß, folgte in der zweiten Hälfte der 1840er Jahre Friedrich Gerstäcker (1816-1872).[4] Gerstäcker war als Einundzwanzigjähriger an Bord eines Auswandererseglers nach Nordamerika gelangt und hatte in den folgenden Jahren vor allem das Gebiet am Mississippi und die Backwoods von Arkansas durchstreift. Bald nach seiner Rückkehr veröffentlichte er einen noch heute lesenswerten Reisebericht. Bald darauf erschienen in kurzem Abstand zahlreiche Erzählungen und Romane aus seiner Feder. Ihre Schauplätze sind - wie die Buchtitel "Die Regulatoren in Arkansas" und "Die Flußpiraten des Mississippi" belegen - oftmals die Gegenden, die Gerstäcker selbst kennengelernt hatte.
Auch Frédéric Armand Strubberg (1818-1885), der das Pseudonym Armand benutzte, hatte lange Jahre in Nordamerika verbracht und dabei u.a. das Leben in Texas kennengelernt. Seinem Reisebricht "Amerikanische Jagd- und Reiseabenteuer" folgten bald belletristische Texte, die ebenfalls eigene Erlebnisse des Autors verwerteten.[5]
Balduin Möllhausen (1825-1905) - der "deutsche Cooper", wie ihn sein amerikanischer Biograph Barba zu Beginn unseres Jahrhunderts nannte, war der dritte wichtige deutsche Schriftsteller, der sich vorwiegend nordamerikanischen Themen widmete.[6] Er hatte als Begleiter des Herzogs Paul Wilhelm von Württemberg und als Teilnehmer an verschiedenen amerikanischen Expeditionen die Prärien und den amerikanischen Südwesten gründlich kennengelernt, und schrieb nach der Veröffentlichung von zwei Reiseberichten Dutzende von Romanen und Erzählungen, in denen er auf seine Kenntnisse zurückgreifen konnte.
Die bis weit in die 1880er Jahre des 19. Jahrhunderts wichtigsten Autoren von Amerikaromanen kannten also aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen, die Verhältnisse, die sie in ihren Werken schilderten. Erst später - um die Wende zum 20. Jahrhundert - traten mit Karl May, Sophie Wörishöffer oder Franz Treller Autoren auf, die ihr Wissen aus Büchern geschöpft hatten und deren Werke vielfach auch für ein jugendliches Publikum bestimmt waren.

Doch lassen Sie mich nun zum eigentlichen Thema meines Vortrages kommen. Aus der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Texte können im Folgenden nur einige wenige herausgegriffen und etwas ausführlicher vorgestellt werden.
Bei ihrer Durchsicht zeigt sich, dass verschiedene Frauentypen mehrfach auftreten. Zu nennen wären, allerdings ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
            -           die Sklavinnen bzw. die Farbigen,
            -           die Indianerinnen
            -           die Siedlerfrauen in den Backwoods,
            -           die Frauen der "besseren Gesellschaft".
            -           die Frauen in Spielhallen und Vergnügungslokalen,
Das Schicksal von Sklavinnen bzw. von Farbigen war vor allem in Zeit vor dem amerikanischen Bürgerkrieg und während dieses Konfliktes ein Thema, welches Friedrich Gerstäcker und Armand mehrfach aufgriffen.
1847 veröffentlichte Friedrich Gerstäcker im ersten Band der "Mississippi-Bilder", die er bezeichnenderweise mit dem Untertitel "Licht- und Schattenseiten transatlantischen Lebens" versah, die Erzählung "Die Sklavin".[7] Er führt seine Leser nach Louisiana. Ein Sklavenhändler verlost ein junges Mädchen bei einem Würfelspiel. Hierbei fällt ein nervöser Mann auf, der bald darauf als Mischling erkannt wird. Später, als der neue Besitzer der Sklavin, diese in sein Haus bringen will, gelingt ihr mit Hilfe des jungen Mannes die Flucht. Beide werden verfolgt, der junge Mann kommt um, und das Mädchen stirbt einige Wochen später an gebrochenem Herzen. Deutlich wird, dass die weißen Kaufinteressenten, vor allem aufgrund des guten Aussehens des "schönen, jungen Negermädchens" an der Verlosung interessiert sind.[8] Gerstäcker beschreibt sie:
"Das kurze wollige Haar hatte ein Rabenschwärze, die Nase war ihrer äthiopischen Abkunft treu, breit gedrückt, aber klein und zierlich, und nur leicht aufgeworfen zeigte sich die kirschrothen, zwischen denen, wenn sie sprach, ein paar blendend weiße Reihen Zähne sichtbar wurden, die um so mehr gegen die sammetartige schwarze Haut und die dunklen glühenden Augen abstachen. Sie war nicht groß, aber schlank gewachsen, und ungemein zierlich gebaut."[9]
Obwohl nie explizit gesagt, stehen sexuelle Interessen hier klar im Hintergrund, wenn der spätere Gewinner der Sklavin von einer verteufelt hübschen kleinen Hexe spricht und feststellt, daß seine Frau scheel sehen wird, wenn er das Mädchen in sein Haus bringt.[10]
Gerstäckers Schilderung zeigt zudem, daß er seiner schwarzen Protagonistin Gefühle zubilligt und das System der Sklaverei ablehnt. Ähnliches lässt sich für Armands Roman "Semona, Oder: Schwarzes Blut" feststellen, wobei hier allerdings auffällt, dass Armands Heldenfiguren Semona und Buardo sich weitaus stärker europäischen Konventionen entsprechend verhalten.[11]
Sklaverei ist auch das Thema in Armands Erzählung "Die Quadrone".[12] Er erzählt die teilweise spannende, teilweise rührend sentimentale Geschichte des Mischlingsmädchens Leonta, wobei auch typische Klischees zum Tragen kommen. Leonta wird von ihrem verschuldeten weißen Vater an einen Sklavenhändler verkauft; auf dem Sklavenmarkt in New Orleans ersteht sie ein reicher Franzose. Er lässt sie frei und heiratet sie später. Der erotische Reiz des schönen Mischlingsmädchens kommt zumindest unterschwellig zum Tragen und wird durch die beigefügten Illustrationen unterstrichen.[13] Insgesamt gesehen diente diese Erzählung - wie auch der 1862 veröffentlichte Roman "Semona Oder: Schwarzes Blut" dazu, Stimmung gegen die in den Südstaaten verbreitete Sklaverei zu machen.
Die Quadrone "Jazede", die uns in Gerstäckers gleichnamiger Erzählung begegnet, gerät nach dem Tod ihres reichen Vaters in Schwierigkeiten. Der brutale Sheriff des Ortes will sie kaufen und sehen, "wie den zarten Händen die Hacke im Zucker- und Baumwollenfeld behagen wird",[14] da Jazede früher seine "entehrenden Anträge"[15] abgewiesen hat. Sie hatte sich in einen spanischen Schmuggler verliebt, der nun Alles aufbietet, um das geliebte Mädchen in Sicherheit zu bringen. Dies gelingt nach einer dramatischen Flucht auf dem Mississippi. Im Gegensatz zu Selinde in "Die Sklavin" ist die negroide Abkunft Jazedes nicht erkennbar. Gerstäcker erwähnt ihre hellbraunen, wallenden Haare, ihre dunkelblauen Augen und ihren weißen Teint.
In der 1854 in dem Sammelband "Aus zwei Welttheilen" publizierten Erzählung "Die Tochter der Ricarees" wird eine Indianerin als Negerabkömmling denunziert, und an einen Sklavenhändler ausgeliefert. Ein Kreole, der sich in das Mächen verliebt, und ihr Bruder ein indianischer Jäger, können sie nicht retten. Sie wird erstochen, von ihrem Bruder gerächt und der Kreole begeht aus Liebeskummer Selbstmord.[16] Selbstverständlich sieht auch die Indianerin gut aus und wird von ihrem späteren Mörder mit "lüsternem Blick" verfolgt.[17]
Gemeinsam ist den vorgestellten Erzählungen, die sich mit Frauen vor dem Hintergrund der Sklaverei beschäftigen, der erotische Reiz, der von allen vorgestellten Frauen ausgeht. Zudem sind die Frauen zumeist nicht aktiv, wenn man einmal von den Befreiungsversuchen der Indianerin absieht, sie sind vielmehr leidend und überlassen den Männern die handelnden Rollen. Ihre Arbeit spielt keine Rolle, die Indianerin lebt als Freundin der Tochter des Hauses auf einer großen Plantage und Jazede hat als wohlbehütete Tochter eines Baumwollpflanzers auch nie etwas getan. Erwähnenswert erscheint zudem, daß es sich bei den Männern, die Jazede und Leonta heiraten, um Ausländer handelt - "Gentlemen" aus den Südstaaten hatten vielleicht Verhältnisse mit Farbigen, heirateten sie aber nicht.
Indianerinnen spielen in Erzählungen und Romanen von Gerstäcker, Armand oder Möllhausen nur gelegentlich eine wichtige handlungstragende Rolle. Gerstäcker beschreibt die "Tochter der Ricarees":
"Es war eine Indianerin, die dunkle Bronzefarbe der Haut, das lebhaft funkelnde Auge, die schneeweißen Zähne und das ganze Wesen, die ganze Haltung des Mädchens kündete die Tochter der Wälder.[18]
Eine Indianerin, deren Aussehen durchaus Stereotypen verhaftet ist! Vor allem "die Tochter der Wälder" erweckt Assoziationen, die mit dem Bild einer "edlen Wilden" verbunden und uns seit den Zeiten von Rousseau vertraut sind. Solchen Vorstellungen widersprechen allerdings die Indianerinnen, die Gerstäcker 1867, während seiner letzten Amerikareise kennenlernte. "Es soll einige hübsche junge Indianerinnen geben, ich muß aber leider feststellen, daß mir keine davon zu Gesicht gekommen [...]", notiert er in der Skizze "Die Bewohner der westlichen Prärien"[19] und in "Eine Stunde in einem Lager der Sioux" heißt es:
"An dem Spiel betheiligten sich aber auch einige scheinbar nie gewaschene junge Damen von vierzehn bis sechzehn Jahren, in langen, ebenfalls nie gewaschenen Kattunkleidern [...] In ihrer nationalen Tracht, leicht geschürzt in den kleidsamen kurzen Röcken und weich gegerbten und mit kleinen bunten Perlen verzierten Fellen, und dann natürlich gewaschen, mit den langen wehenden Haaren und den schwarzen blitzenden Augen, müßten die jungen prächtig gewachsenen Dinger auch in der That bildhübsch ausgesehen haben, so aber waren es nur angehende junge Megären [...]"[20]
Gerstäcker stellt den real gesehenen Bildern seine Wunschvorstellungen gegenüber - Wunschvorstellungen, wie sie später das schöne Apachenmädchen in Karl Mays "Winnetou" kennzeichneten:
"Die jüngere war schön, sogar sehr schön. Europäisch gekleidet hätte sie gewiß in jedem Salon Bewunderung erregt. Sie trug ein langes hellblaues hemdartiges Gewand, das den Hals eng umschloß und an der Taille von einer Klapperschlangenhaut als Gürtel zusammengehalten wurde. Es war an ihr kein Schmuckgegenstand zu sehen [...] Ihr einziger Schmuck bestand aus ihrem langen, herrlichen Haar, das ihr in zwei starken bläulich-schwarzen Zöpfen, weit über die Hüften herabreichte. Das Haar erinnerte auch an das von Winnetou. [...] Sie hatte dieselbe Samtschwärze der Augen, die unter langen, schweren Wimpern halb verborgen lagen, wie Geheimnisse, die nicht ergründet werden sollen. Von indianisch vorstehenden Backenknochen war keine Spur. Die weich und warm gezeichneten vollen Wangen vereinigten sich unten in einem Kinn, dessen Grübchen bei einer Europäerin auf Schelmerei hätten schließen lassen. [...] als sie [...] den schöngeschnittenen Mund zu einem Lächeln öffnete, blitzen die Zähne wie reinstes Elfenbein zwischen den roten Lippen hervor. Die feingeflügete Nase hätte weit eher auf griechische als auf indianische Abstammung deuten können. Die Farbe ihrer Haut war einen helle Kupferbronze mit einem Silberhauch."[21]
Die mehrmalige Erwähnung Europas in Karls Mays Beschreibung belegt nicht zuletzt auch die Übertragung europäischer Schönheitsideale auf die beschriebene Indianerin. Die später geplante Heirat zwischen dem Ich-Erzähler und Nscho-tschi kommt allerdings nicht zustande, das Mädchen wird ermordet. Eine Heirat hätte wohl auch den europäischen Konventionen widersprochen und zudem eignet sich ein verheirateter Held weniger als zukünftiger Abenteurer.
Dennoch, eine solche Liebesgeschichte zwischen Indianerinnen und Weißen steht nicht singulär. Erinnert sei an Balduin Möllhausens Erzählung "Die Tochter des Häuptlings", eine Romanze zwischen einer Chippewa-Indianerin und einen kanadischen Trapper (in: Palmblätter und Schneeflocken, 1863) oder an Armands "An der Indianer-Grenze, oder Treuer Liebe Lohn" aus dem Jahr 1859.[22] Farnwald - ein junger Deutscher - in dem unschwer der Autor selbst wiederzuerkennen ist, verliebt sich in die schöne Lepan-Indianerin Owaja. Doch auch dieser Liebe zu einem rousseauschen Naturkind ist kein glückliches Ende beschieden - das Mädchen kommt wie Nscho-tschi um, und Farnwald wendet sich im weiteren Verlauf einer jungen wohlhabenden Weißen zu.[23] Auch Kionata, die Tochter eines Caddoe-Häuptlings, die ihre Stammesbrüder verlassen hat, um mit einem Weißen zu leben, wird ermordet. Armand erzählt davon in seinem Werk "Aus Armand's Frontierleben". Ähnlich ergeht es Kionatas Tochter Leonide, die am Vorabend ihrer Hochzeit mit dem Ich-Erzähler vom Blitz erschlagen wird.[24] "Die Mandanenwaise" in Balduin Möllhausens gleichnamigem Roman, stellt sich allerdings am Ende des Romans als Tochter eines Weißen heraus,[25] so dass hier eigentlich nicht von einer Liebesgeschichte zwischen einem Weißen und einer Indianerin gesprochen werden kann.
Weitaus seltener werden Liebesgeschichten zwischen einem Indianer und einer Weißen thematisiert. Zu erwähnen ist Armands Erzählung "Ein Wilder". Ein junges, weißes Mädchen wurde von Indianern entführt, kehrt aber dank der Hilfe eines Indianers, der sich in sie verliebte hatte, wieder zu ihrer Familie zurück. Der junge Indianer folgt ihr, bekehrt sich zum Christentum und heiratet schließlich Lydia.[26] Elemente der "captivity-tale" werden hier mit einer glücklichen endenden Romanze verbunden, wobei das geschilderte Verhalten des Indianers unwahrscheinlich erscheint.
Indianische Frauen treten auch in einige kürzeren Texten unbekannterer Autoren auf. In "Die Frau des indianischen Jägers" einer 1853 in der "Illustrierten Welt" abgedruckten Erzählung, warnt eine Indianerin eine Weiße, von der sie vor Jahren gesund gepflegt worden war, vor einem Überfall.[27] Ein Rettungsmotiv steht in "Die Adlerfeder" - 1858 in der "Gartenlaube" veröffentlicht - im Zentrum der Handlung. Hier warnt ein indianisches Mädchen einen amerikanischen Offi­zier, in den sie sich verliebt hat, vor einem Überfall der Winnebagos auf Fort Snelling.[28]
Verlassen wir nun die Indianerinnen und die in den kurz vorgestellten Erzählungen und Romanen dominierenden Romanzen und wenden uns den "Frauen in den 'Backwoods' oder Wäldern des Westens" zu, wie sie Friedrich Gerstäcker in einer Skizze aus dem Jahr 1845 nannte.[29] Es sind die Frauen der Siedler, die Gerstäcker selbst in Wäldern der Ozarks in Arkansas oder an einsamen Holzstapelplätzen am Mississippi kennengelernt hat. Er schildert ihre tägliche Arbeit, und stellt fest, daß sie, obgleich ihr Leben an der Frontier vielfach beschwerlich ist, ihren Gatten zumeist tüchtige arbeitseifrige und zupackende Gefährtinnen sind. Ihr Leben ist rauh und primitiv, Nachbarn wohnen zumeist weit weg und Ärzte sind kaum zu erreichen. Hinzu kommt oftmals Einsamkeit, wenn die Männer sich tagelang auf der Jagd befinden. In Notsituationen müssen die Frauen sich häufig eigenständig bewähren. Interessant sind in dieser Skizze - aber auch in anderen Erzählungen Gerstäckers - die zahlreichen Einzelheiten aus dem alltäglichen Leben. Seine Frauen in den Backwoods sind - wie er selbst sagt - die "thätige[n] Hausfrau[en], denen zwar die vielen Annehmlichkeiten der Zivilsation fehlen, die ansonsten aber zufrieden sind. Vergnügungen sind Klötzeroll- und Steppdeckenfeste ("husking-, quilting-, logrolling- and house-raising-frolics"[30]), bei denen sich Nachbarn zunächst zu gemeinsamen Arbeiten treffen und den Abend dann mit fröhlichen Tänzen verbringen, wobei vor allem die jüngeren Mädchen großen Wert auf ihre Toilette legen.
In einigen humoristischen Erzählungen schildert Gerstäcker die Beziehungen zwischen jungen Frauen und Männner. In "Curtis' Brautfahrt" versucht Curtis, eine passende Frau zu finden. An einem Wochentage beginnt er, ausstaffiert in seinem Sonntagsanzug, die Rundreise bei den Nachbarn, die heiratsfähige Töchter haben. Allerdings wird er aufgrund seiner zahlreichen Eigenarten und seines schon gesetzten Alters überall abgewiesen, und die jungen Mädchen machen sich einen Spaß daraus, ihn zu necken.[31] Besser geht es einem anderen jungen Mann in der Erzählung "In den Backwoods", der sich, nachdem er von weiblichem, heiratsfähigem Besuch erfahren hat, von einem Bekannten die Sonntagskleider aufs Feld bringen läßt. Im neuen Anzug macht er dann so einen guten Eindruck, daß der späteren Eheschließung nichts mehr im Wege steht.[32]
Auch andere Autoren, kennen die tüchtigen Siedlerfrauen, wie z.B. Balduin Möllhausen, der sie in seiner ansonsten tragischen Liebesgeschichte "Der Fallensteller" am Rande auftreten läßt.[33]
Einen ganz anderen Typ verkörpern die Frauen der "besseren" Gesellschaft:
"Elfriede von Rothenfels, aus einer der ersten aristokratischen Familien Deutschlands, war eine Dame im vollen Sinne des Worts, und noch dazu eine der liebenswürdigsten, wenn auch verwöhntesten, die sich möglicher Weise denken ließen"[34]
Sie unternimmt mit ihrem Gatten dem Baron von Rothenfels in Gerstäckers gleichnamiger Erzählung eine Hochzeitsreise auf dem Mississippi, um das wilde Nordamerika kennenzulernen. Ihr Mann verirrt sich unwegsamen Urwald, und sie verläßt den Schaufelraddampfer an einem Holzstapelplatz. Hier findet sie nicht das erwartete Hotel sondern nur eine primitive Unterkunft in der Hütte der Siedler. Die freundlichen Siedler verstehen ihre Sprache nicht und es kommt zu amüsanten Mißverständissen. Nach einer Übernachtung in der Hütte und dem glücklichen Wiedererscheinen ihres vom Urwald entsetzten Gatten fährt unser adeliges Paar mit Kammerdiener und Zofe schnellstens wieder nach Europa zurück.[35] Gerstäcker karikiert hier, wie auch in anderen Erzählungen, die europäischen Reisenden, die von romantischen Vorstellungen ausgehend den amerikanischen Westen kennenlernen wollen, und bei den ersten auftretenden (Pseudo-)Schwierigkeiten aufgeben und schnell wieder in ihre Heimat zurückkehren.
Ein ähnliches Luxusgeschöpf wie Elfriede von Rothenfels begegnet uns in "Die Tochter der Ricarees": Gabriele Beaufort, die Tochter eines reichen Pflanzers in Louisisiana. "Des Pflanzers holdes Kind, die reizendste Creolin Louisianas[...]", liegt träumend in ihrer Hängematte, eine Negersklavin fächelt ihr Kühle zu, und sie zerpflückt aus Langeweile Blütenblätter. Aktiv tritt sie in der Erzählung kaum hervor, setzt sich zwar etwas für ihre indianische Freundin ein, verschwindet aber dann bald aus der Handlung.[36]
Auch Kornelia Montejo und ihre Tochter Kleopatra in Armands Roman "Die alte spanische Urkunde" zeichnen sich dadurch aus, dass sie viel Geld für Mode, Nichtigkeiten und Bälle ausgeben. Vorwiegend sind sie an pekuniärem Besitz interessiert, und scheuen keine Intrigen, um sich die finanziellen Mittel für ihre Vergnügungen zu verschaffen. Allerdings bleibt Armands ganzer Roman, obwohl die Handlung an der Frontier in Texas angesiedelt ist, europäische Konventionen verhaftet. Kornelia und Kleopatra Montejo leben auf einer Plantage, eine Gesellschafterin und Klavierlehrerin wird eingestellt, und die ganze Geschichte könnte ohne große Änderungen auch in Europa spielen.
Die Gesellschafterin Sarah verkörpert einen in Nuancen anderen Frauentyp. Sie ist aufgrund von Widrigkeiten gezwungen, eine unter ihrem eigentlichen Stand und ihrer Bildung liegende Stellung anzunehmen, in der sie unauffällig und von Anfeindungen unbeirrt ihrer Tätigkeit nachgeht. Trotz einiger Verleumdungen gewinnt sie schließlich ihr Erbe und zudem einen geliebten Mann.[37]
Balduin Möllhausens "Mormonenmädchen", eine junge gebildete Schwedin, gerät in die Fänge intriganter Mormonen, die sie um ihr reiches Erbe bringen wollen, indem sie planen, das Mädchen mit einem Mormonen verheiraten. Ein aufrichtiger amerikanischer Marineoffizier kann dies nach zahlreichen Abenteuern in Utah verhindern.[38]
Ebenfalls aus besseren Kreisen stammt ein siebzehnjähriges, junges Mädchen mit "dunklen rabenschwarzen Locken und ebensolchen Augen und marmorbleichen und doch so zarten fast durchsichtigen Zügen," welches aufgrund der Spielleidenschaft ihres Vaters gezwungen ist, allabendlich in einem Spielsaloon Violine zu spielen. Gerstäcker erwähnt ihr Schicksal in "Eine Nacht in einer californischen Spielhölle".[39] Während diese junge Südländerin unverschuldet ins Milieu der Spielhallen geraten ist, ist "Die gute Frau" in Gerstäckers gleichnamiger, ebenfalls in Kalifonien angesiedelter Erzählung eindeutig negativ charakterisiert.
Sie verleugnet ihren Mann, lebt mit einem Spieler und Verbrecher zusammen, treibt sich in trinkend in Spielsaloons herum und bestiehlt schließlich noch diejenigen, die sie freundlich bei sich aufgenommen haben.[40]
Da ist Mutter Thick, die wohlbeleibte ehrbare Wirtin eines von "den Seen bis zum mexikanischen Golf und von Boston bis San Francisco wohlbekannten Boardinghause[s]" in Jefferson, der Hauptstadt des Staates Missouri von anderem Schlag. Resolut und fürsorglich kümmert sie sich um ihre Gäste und sorgt "mit behender Gewandtheit" dafür, dass es niemandem an etwas mangelt. Karl May führt seine Leser zu Beginn des Romans "Old Surehand II" in dieses Boardinghaus und macht sie mit der guten Dame bekannt, die "[...] ganz den Eindruck einer verständigen, freundlichen und besorgten Hausmutter [macht], deren Glück es ist, Zufriedenheit um sich zu sehen."[41]

In den vorstehenden Abschnitten wurden verschiedene Frauentypen kurz vorgestellt, die im deutschen Amerikaroman des 19. Jahrhunderts auftreten. Die Auswahl ist beileibe nicht vollständig, sie spannt aber einen breiten Bogen von den Indianerinnen bis zu den Damen der besseren Gesellschaft. Unter den Verfassern der Romane und Erzählungen musste gleichfalls ausgewählt werden. Wenn auch überwiegend bekannte Namen genannt gewurden, so sollten doch die zahlreichen anderen Autoren von Texten, die vor einem amerikanischen Hintergrund spielen, nicht vergessen werden. Hinzu kamen im vorigen Jahrhundert eine große Menge übersetzter Texte, z.B. von Thomas Mayne Reid, Gustave Aimard oder Gabriel Ferry. Die in ihnen auftretenden Frauengestalten unterscheiden sich zumeist kaum von denen, die in der Phantasie ihrer deutschsprachigen Kollegen entstanden.

(Der Beitrag erschien erstmals 1994 in Studies in the Western. Für die Online-Fassung wurde nur das Layout angepasst.)
  

[1] Ursprünglich handelt es sich bei diesem Beitrag um einen Vortrag, der am 25.6.1994 auf der 5. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Westerns in Iserlohn gehalten wurde. Die Vortragsform wurde bewusst beibehalten. Ergänzt wurden Fußnoten mit Quellen- und Literaturhinweisen.
[2] Von literaturwissenschaftlicher Seite her wurden die deutschsprachigen Texte des vorigen Jahrhunderts, die man als Western, bzw. Frühformen des Western bezeichnen könnte, zumeist in Zusammenhang mit der Abenteuerliteratur behandelt. Hier liegen einige Überblicksstudien vor; vgl. z.B. SEHM, Gunter G.: Der ethnographische Reise- und Abenteuerroman des neunzehnten Jahrhunderts. Eine Gattungsbestimmung (Studien zu Trivialliteratur 3). Wien 1972 (Phil. Diss. Hamburg 1974) und STEINBRINK, Bernd: Abenteuerliteratur des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Studien zu einer vernachlässigten Gattung (Studien zu deutschen Literatur 72). Tübingen 1983
[3] zu Otto Ruppius, vgl. GRAEWERT, Theodor: Otto Ruppius und der Amerikaroman im 19. Jahrhundert. Phil. Diss. Jena 1935
[4] Eine moderne wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Leben und Werk von Friedrich Gerstäcker fehlt. Verwiesen sei darum auf: OSTWALD, Thomas: Friedrich Gerstäcker. Leben und Werk. Bibliogr. Anhang von Armin Stöckhert. 2. korr. u. erg. Aufl. Braunschweig 1977 sowie ROTH, Karl Jürgen: Friedrich Gerstäcker. Biographie / Bibliographie. - In: Schegk, Friedrich (Hrsg.): Lexikon der Reise- und Abenteuerliteratur. Meitingen Grundwerk Dezember 1988
[5] Leider fehlen auch zu Strubberg neuere Arbeiten, verwiesen sei auf: BARBA, Preston Albert: Friedrich Armand Strubberg. - In: German American Annals 10.1912/11.1913, S. 175-225, 3-63, 115-142 [auch als:] The Life and Works of Friedrich Armand Strubberg (Americana Germanica. Monograph Series 16) [New York] 1913 und SEHM, Gunter G.: Armand. Biographie und Bibliographie. Wien 1972
[6] Zu Möllhausen vgl.: BARBA, Preston A.: Balduin Möllhausen. The German Cooper (Americana Germanica 17. Publications of the University of Pennsylvannia) [New York] 1914; GRAF, Andreas: Der Tod der Wölfe. Das abenteuerliche und das bürgerliche Leben des Romanschriftstellers und Amerikareisenden Balduin Möllhausen (1825-1905). Berlin 1991; DERS.: Abenteuer und Geheimnis. Die Romane Balduin Möllhausens (Rombach Wissenschaft - Reihe Litterae 18). Freiburg 1993 und SCHEGK, Friedrich: Balduin Möllhausen. Biographie / Bibliographie. - In: DERS. (Hrsg.): Lexikon der Reise- und Abenteuerliteratur. Meitingen 1988 ff.
[7] GERSTÄCKER, Friedrich: Die Sklavin. - In: DERS.: Mississippi, Licht- und Schattenseiten transatlantischen Lebens Bd. 1. Dresden und Leipzig 1847 [Reprint: Braunschweig 1985], S. 1-64
[8] Ebd., S. 14
[9] Ebd., S. 14
[10] Vgl. ebd., S. 23 f.
[11] STRUBBERG, Frédéric Armand: Semona, oder: Schwarzes Blut. Herausgegeben und mit einem Nachwort von K.J.Roth (Abenteuer-Archiv 1,1). Siegen 1988
[12] ARMAND (STRUBBERG, Frédéric Armand): Die Quadrone. Aus dem Leben. Herausgegeben und mit einem Nachwort von K.J.Roth (Abenteuer-Archiv 1,6). Siegen 1990
[13] Vgl. ebd, z.B. die Illustration von Gustav Bartsch auf S. 8
[14] GERSTÄCKER, Friedrich: Jazede. - In: DERS.: Mississippi-Bilder, Licht- und Schattenseiten transatlantischen Lebens Bd. 3. Dresden und Leipzig 1848 [Reprint: Braunschweig 1985], S. 1-74; hier S. 37
[15] Ebd. S. 49
[16] Vgl. GERSTÄCKER, Friedrich: Die Tochter der Ricarees. - In: DERS.: Aus zwei Welttheilen. Gesammelte Erzählungen Bd. 2. Leipzig 1854 [Reprint: Braunschweig 1984], S. 1-92
[17] Ebd. S. 4
[18] Ebd. S. 5 
[19] GERSTÄCKER, Friedrich: Die Bewohner der westlichen Prärien. Skizze. - In: Über Land und Meer, 10. Jg. 1868 (Bd. 18), S. 139-141; hier S. 139
[20] GERSTÄCKER, Friedrich: Eine Stunde in einem Lager der Sioux. - In: DERS.: Kleine Erzählungen und nachgelassene Schriften Bd. 1. Jena o.J. [Reprint: Braunschweig 1983], S. 657-663; hier S. 658
[21] MAY, Karl: Winnetou. Der rote Gentleman Bd. 1. München 1976, S. 173
[22] Vgl. MÖLLHAUSEN, Balduin: Die Tochter des Häuptlings. - In: DERS.: Palmblätter und Schneeflocken. Erzählungen aus dem fernen Westen. 2 Bde. Jena/Leipzig 1863; ARMAND (STRUBBERG, Frédéric Armand): An der Indianer-Grenze, oder Treuer Liebe Lohn. 4 Bde. Hannover 1859
[23] Vgl. ebd.
[24] Vgl. ARMAND (STRUBBERG, Frédéric Armand): Leonide. - In: DERS.: Aus Armand's Frontierleben. 3 Bde. Leipzig 1868; Bd. 1, Bd. 2 u. Bd. 3, S. 1-11
[25] Vgl. MÖLLHAUSEN, Balduin: Die Mandanenwaise. Erzählung. 4 Bde. Berlin 1865
[26] Vgl. ARMAND (STRUBBERG, Frédéric Armand): Ein Wilder. - In: DERS.: Aus Armand's Frontierleben. 3 Bde. Leipzig 1868, Bd. 3, S. 153-266
[27] Vgl. Die Frau des indianischen Jägers. - In: Die Illustrirte Welt 1. Jg. 1853, S. 10-11, 18-19
[28] Vgl. Gtz.: Die Adlerfeder. - In: Die Gartenlaube 6. Jg. 1858, S. 315-316
[29] Vgl. GERSTÄCKER, Friedrich: Die Frauen in den "Backwoods" oder Wäldern des Westens. - In: DERS.: Mississippi-Bilder, Licht- und Schattenseiten transatlantischen Lebens Bd. 3. Dresden und Leipzig 1848 [Reprint: Braunschweig 1985], S. 135-164. Die Skizze wurde schon 1845 in Das Ausland vorabgedruckt.
[30] Ebd. S. 145
[31] Vgl. GERSTÄCKER, Friedrich: Curtis Brautfahrt. - In: DERS.: Amerikanische Wald- und Strombilder. Erster Theil. Dresden und Leipzig 1849 [Reprint: Braunschweig o.J.], S. 131-184
[32] Vgl. GERSTÄCKER, Friedrich: In den Backwoods. - In: DERS.: Kleine Erzählungen und nachgelassene Schriften Bd. 1. Jena o.J. [Reprint: Braunschweig 1983], S. 685-691
[33] Vgl. MÖLLHAUSEN, Balduin: Der Fallensteller. Herausgegeben und mit einem Nachwort von K.J.Roth (Abenteuer-Archiv 1,101). Siegen 1991
[34] GERSTÄCKER, Friedrich: Eine Hochzeitsreise. - In: DERS.: Kleine Erzählungen und nachgelassene Schriften Bd. 1. Jena o.J. [Reprint: Braunschweig 1983], S. 307-371; hier S. 310
[35] Vgl. ebd.
[36] Vgl. GERSTÄCKER, Friedrich: Die Tochter der Ricarees, a.a.O.; Zitat S. 3
[37] ARMAND (STRUBBERG, Frédéric Armand): Die alte spanische Urkunde. 2 Bde. Hannover 1872
[38] MÖLLHAUSEN, Balduin: Das Mormonenmädchen. Erzählung. 6 Bde. Jena/Leipzig 1864
[39] Vgl. GERSTÄCKER, Friedrich: Eine Nacht in einer Californischen Spielhölle. - In: DERS.: Californische Skizzen. Leipzig 1856, S. 196-248; Zitat S. 223
[40] Vgl. GERSTÄCKER, Friedrich: Eine Stunde in einem Lager der Sioux. - In: DERS.: Kleine Erzählungen und nachgelassene Schriften Bd. 1. Jena o.J. [Reprint: Braunschweig 1983], S. 372-420
[41] MAY, Karl: Old Surehand Bd. 2. München 1977, Zitate S. 6 u 7

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