Zum Frauenbild im deutschsprachigen Amerikaroman des 19. Jahrhunderts
Die
Frauen im deutschen Amerikaroman des 19. Jahrhunderts[1]
sind nicht die Frauen, die wir aus der Lektüre von Westernromanen unserer Zeit
kennen - genau so wenig, wie der deutsche Amerikaroman des vergangenen
Jahrhunderts unbedingt ein Westernroman ist.[2] In
ihm spielen auch andere Facetten des deutschen Amerikabildes eine Rolle, er
schildert z.B. das Leben von Auswanderern und stellt die Probleme dar, die
Ankunft, Ansiedlung oder Assimilation in einem neuen Heimatland mit sich
bringen können.
Otto
Ruppius, der selbst nach 1848 Deutschland verlassen hatte und etliche Jahre in
den Vereinigten Staaten verbrachte, rückte in seinen zahlreichen Romanen und
Erzählungen, das Leben von Einwanderern immer wieder in den Vordergrund.
Handlungsorte dieser vielfach in besseren Gesellschaftsschichten spielenden
Werke sind zumeist die großen Städte des Ostens.[3]
Solche Texte sollen im Folgenden allerdings nicht berücksichtigt werden.
Es
seien dagegen einige Romane und Erzählungen herausgegriffen, die von bekannten
Autoren der Zeit verfasst, ausführlicher auf das Leben von Frauen eingehen.
Zunächst aber einige Worte zu den Verfassern der Bücher.
Nach
dem großen Erfolg der Lederstrumpf-Romane James Fenimore Coopers in Deutschland
wählten auch deutschsprachige Autoren Nordamerika verstärkt als Handlungsort
ihrer Romane. Auf Charles Sealsfield, der eigentlich Karl Postl hieß, folgte in
der zweiten Hälfte der 1840er Jahre Friedrich Gerstäcker (1816-1872).[4]
Gerstäcker war als Einundzwanzigjähriger an Bord eines Auswandererseglers nach
Nordamerika gelangt und hatte in den folgenden Jahren vor allem das Gebiet am
Mississippi und die Backwoods von Arkansas durchstreift. Bald nach seiner
Rückkehr veröffentlichte er einen noch heute lesenswerten Reisebericht. Bald
darauf erschienen in kurzem Abstand zahlreiche Erzählungen und Romane aus
seiner Feder. Ihre Schauplätze sind - wie die Buchtitel "Die Regulatoren
in Arkansas" und "Die Flußpiraten des Mississippi" belegen -
oftmals die Gegenden, die Gerstäcker selbst kennengelernt hatte.
Auch
Frédéric Armand Strubberg (1818-1885), der das Pseudonym Armand benutzte, hatte
lange Jahre in Nordamerika verbracht und dabei u.a. das Leben in Texas
kennengelernt. Seinem Reisebricht "Amerikanische Jagd- und
Reiseabenteuer" folgten bald belletristische Texte, die ebenfalls eigene
Erlebnisse des Autors verwerteten.[5]
Balduin
Möllhausen (1825-1905) - der "deutsche Cooper", wie ihn sein
amerikanischer Biograph Barba zu Beginn unseres Jahrhunderts nannte, war der
dritte wichtige deutsche Schriftsteller, der sich vorwiegend nordamerikanischen
Themen widmete.[6]
Er hatte als Begleiter des Herzogs Paul Wilhelm von Württemberg und als
Teilnehmer an verschiedenen amerikanischen Expeditionen die Prärien und den
amerikanischen Südwesten gründlich kennengelernt, und schrieb nach der
Veröffentlichung von zwei Reiseberichten Dutzende von Romanen und Erzählungen,
in denen er auf seine Kenntnisse zurückgreifen konnte.
Die
bis weit in die 1880er Jahre des 19. Jahrhunderts wichtigsten Autoren von
Amerikaromanen kannten also aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen, die
Verhältnisse, die sie in ihren Werken schilderten. Erst später - um die Wende
zum 20. Jahrhundert - traten mit Karl May, Sophie Wörishöffer oder Franz
Treller Autoren auf, die ihr Wissen aus Büchern geschöpft hatten und deren
Werke vielfach auch für ein jugendliches Publikum bestimmt waren.
Doch
lassen Sie mich nun zum eigentlichen Thema meines Vortrages kommen. Aus der
Vielzahl der zur Verfügung stehenden Texte können im Folgenden nur einige
wenige herausgegriffen und etwas ausführlicher vorgestellt werden.
Bei
ihrer Durchsicht zeigt sich, dass verschiedene Frauentypen mehrfach auftreten. Zu
nennen wären, allerdings ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- die
Sklavinnen bzw. die Farbigen,
- die
Indianerinnen
- die
Siedlerfrauen in den Backwoods,
- die
Frauen der "besseren Gesellschaft".
- die
Frauen in Spielhallen und Vergnügungslokalen,
Das
Schicksal von Sklavinnen bzw. von Farbigen war vor allem in Zeit vor dem
amerikanischen Bürgerkrieg und während dieses Konfliktes ein Thema, welches
Friedrich Gerstäcker und Armand mehrfach aufgriffen.
1847
veröffentlichte Friedrich Gerstäcker im ersten Band der
"Mississippi-Bilder", die er bezeichnenderweise mit dem Untertitel
"Licht- und Schattenseiten transatlantischen Lebens" versah, die
Erzählung "Die Sklavin".[7] Er
führt seine Leser nach Louisiana. Ein Sklavenhändler verlost ein junges Mädchen
bei einem Würfelspiel. Hierbei fällt ein nervöser Mann auf, der bald darauf als
Mischling erkannt wird. Später, als der neue Besitzer der Sklavin, diese in
sein Haus bringen will, gelingt ihr mit Hilfe des jungen Mannes die Flucht.
Beide werden verfolgt, der junge Mann kommt um, und das Mädchen stirbt einige
Wochen später an gebrochenem Herzen. Deutlich wird, dass die weißen
Kaufinteressenten, vor allem aufgrund des guten Aussehens des "schönen,
jungen Negermädchens" an der Verlosung interessiert sind.[8]
Gerstäcker beschreibt sie:
"Das
kurze wollige Haar hatte ein Rabenschwärze, die Nase war ihrer äthiopischen
Abkunft treu, breit gedrückt, aber klein und zierlich, und nur leicht
aufgeworfen zeigte sich die kirschrothen, zwischen denen, wenn sie sprach, ein
paar blendend weiße Reihen Zähne sichtbar wurden, die um so mehr gegen die
sammetartige schwarze Haut und die dunklen glühenden Augen abstachen. Sie war
nicht groß, aber schlank gewachsen, und ungemein zierlich gebaut."[9]
Obwohl
nie explizit gesagt, stehen sexuelle Interessen hier klar im Hintergrund, wenn
der spätere Gewinner der Sklavin von einer verteufelt hübschen kleinen Hexe
spricht und feststellt, daß seine Frau scheel sehen wird, wenn er das Mädchen
in sein Haus bringt.[10]
Gerstäckers
Schilderung zeigt zudem, daß er seiner schwarzen Protagonistin Gefühle
zubilligt und das System der Sklaverei ablehnt. Ähnliches lässt sich für Armands
Roman "Semona, Oder: Schwarzes Blut" feststellen, wobei hier
allerdings auffällt, dass Armands Heldenfiguren Semona und Buardo sich weitaus
stärker europäischen Konventionen entsprechend verhalten.[11]
Sklaverei
ist auch das Thema in Armands Erzählung "Die Quadrone".[12]
Er erzählt die teilweise spannende, teilweise rührend sentimentale Geschichte
des Mischlingsmädchens Leonta, wobei auch typische Klischees zum Tragen kommen.
Leonta wird von ihrem verschuldeten weißen Vater an einen Sklavenhändler
verkauft; auf dem Sklavenmarkt in New Orleans ersteht sie ein reicher Franzose.
Er lässt sie frei und heiratet sie später. Der erotische Reiz des schönen
Mischlingsmädchens kommt zumindest unterschwellig zum Tragen und wird durch die
beigefügten Illustrationen unterstrichen.[13]
Insgesamt gesehen diente diese Erzählung - wie auch der 1862 veröffentlichte
Roman "Semona Oder: Schwarzes Blut" dazu, Stimmung gegen die in den
Südstaaten verbreitete Sklaverei zu machen.
Die
Quadrone "Jazede", die uns in Gerstäckers gleichnamiger Erzählung
begegnet, gerät nach dem Tod ihres reichen Vaters in Schwierigkeiten. Der
brutale Sheriff des Ortes will sie kaufen und sehen, "wie den zarten
Händen die Hacke im Zucker- und Baumwollenfeld behagen wird",[14]
da Jazede früher seine "entehrenden Anträge"[15]
abgewiesen hat. Sie hatte sich in einen spanischen Schmuggler verliebt, der nun
Alles aufbietet, um das geliebte Mädchen in Sicherheit zu bringen. Dies gelingt
nach einer dramatischen Flucht auf dem Mississippi. Im Gegensatz zu Selinde in
"Die Sklavin" ist die negroide Abkunft Jazedes nicht erkennbar.
Gerstäcker erwähnt ihre hellbraunen, wallenden Haare, ihre dunkelblauen Augen
und ihren weißen Teint.
In
der 1854 in dem Sammelband "Aus zwei Welttheilen" publizierten
Erzählung "Die Tochter der Ricarees" wird eine Indianerin als
Negerabkömmling denunziert, und an einen Sklavenhändler ausgeliefert. Ein
Kreole, der sich in das Mächen verliebt, und ihr Bruder ein indianischer Jäger,
können sie nicht retten. Sie wird erstochen, von ihrem Bruder gerächt und der
Kreole begeht aus Liebeskummer Selbstmord.[16]
Selbstverständlich sieht auch die Indianerin gut aus und wird von ihrem späteren
Mörder mit "lüsternem Blick" verfolgt.[17]
Gemeinsam
ist den vorgestellten Erzählungen, die sich mit Frauen vor dem Hintergrund der
Sklaverei beschäftigen, der erotische Reiz, der von allen vorgestellten Frauen
ausgeht. Zudem sind die Frauen zumeist nicht aktiv, wenn man einmal von den
Befreiungsversuchen der Indianerin absieht, sie sind vielmehr leidend und
überlassen den Männern die handelnden Rollen. Ihre Arbeit spielt keine Rolle,
die Indianerin lebt als Freundin der Tochter des Hauses auf einer großen Plantage
und Jazede hat als wohlbehütete Tochter eines Baumwollpflanzers auch nie etwas
getan. Erwähnenswert erscheint zudem, daß es sich bei den Männern, die Jazede
und Leonta heiraten, um Ausländer handelt - "Gentlemen" aus den
Südstaaten hatten vielleicht Verhältnisse mit Farbigen, heirateten sie aber
nicht.
Indianerinnen
spielen in Erzählungen und Romanen von Gerstäcker, Armand oder Möllhausen nur
gelegentlich eine wichtige handlungstragende Rolle. Gerstäcker beschreibt die
"Tochter der Ricarees":
"Es
war eine Indianerin, die dunkle Bronzefarbe der Haut, das lebhaft funkelnde
Auge, die schneeweißen Zähne und das ganze Wesen, die ganze Haltung des
Mädchens kündete die Tochter der Wälder.[18]
Eine
Indianerin, deren Aussehen durchaus Stereotypen verhaftet ist! Vor allem
"die Tochter der Wälder" erweckt Assoziationen, die mit dem Bild
einer "edlen Wilden" verbunden und uns seit den Zeiten von Rousseau
vertraut sind. Solchen Vorstellungen widersprechen allerdings die
Indianerinnen, die Gerstäcker 1867, während seiner letzten Amerikareise
kennenlernte. "Es soll einige hübsche junge Indianerinnen geben, ich muß
aber leider feststellen, daß mir keine davon zu Gesicht gekommen [...]",
notiert er in der Skizze "Die Bewohner der westlichen Prärien"[19]
und in "Eine Stunde in einem Lager der Sioux" heißt es:
"An
dem Spiel betheiligten sich aber auch einige scheinbar nie gewaschene junge
Damen von vierzehn bis sechzehn Jahren, in langen, ebenfalls nie gewaschenen
Kattunkleidern [...] In ihrer nationalen Tracht, leicht geschürzt in den
kleidsamen kurzen Röcken und weich gegerbten und mit kleinen bunten Perlen
verzierten Fellen, und dann natürlich gewaschen, mit den langen wehenden Haaren
und den schwarzen blitzenden Augen, müßten die jungen prächtig gewachsenen
Dinger auch in der That bildhübsch ausgesehen haben, so aber waren es nur
angehende junge Megären [...]"[20]
Gerstäcker
stellt den real gesehenen Bildern seine Wunschvorstellungen gegenüber -
Wunschvorstellungen, wie sie später das schöne Apachenmädchen in Karl Mays
"Winnetou" kennzeichneten:
"Die
jüngere war schön, sogar sehr schön. Europäisch gekleidet hätte sie gewiß in
jedem Salon Bewunderung erregt. Sie trug ein langes hellblaues hemdartiges
Gewand, das den Hals eng umschloß und an der Taille von einer
Klapperschlangenhaut als Gürtel zusammengehalten wurde. Es war an ihr kein
Schmuckgegenstand zu sehen [...] Ihr einziger Schmuck bestand aus ihrem langen,
herrlichen Haar, das ihr in zwei starken bläulich-schwarzen Zöpfen, weit über
die Hüften herabreichte. Das Haar erinnerte auch an das von Winnetou. [...] Sie
hatte dieselbe Samtschwärze der Augen, die unter langen, schweren Wimpern halb
verborgen lagen, wie Geheimnisse, die nicht ergründet werden sollen. Von
indianisch vorstehenden Backenknochen war keine Spur. Die weich und warm
gezeichneten vollen Wangen vereinigten sich unten in einem Kinn, dessen
Grübchen bei einer Europäerin auf Schelmerei hätten schließen lassen. [...] als
sie [...] den schöngeschnittenen Mund zu einem Lächeln öffnete, blitzen die
Zähne wie reinstes Elfenbein zwischen den roten Lippen hervor. Die
feingeflügete Nase hätte weit eher auf griechische als auf indianische
Abstammung deuten können. Die Farbe ihrer Haut war einen helle Kupferbronze mit
einem Silberhauch."[21]
Die
mehrmalige Erwähnung Europas in Karls Mays Beschreibung belegt nicht zuletzt
auch die Übertragung europäischer Schönheitsideale auf die beschriebene
Indianerin. Die später geplante Heirat zwischen dem Ich-Erzähler und
Nscho-tschi kommt allerdings nicht zustande, das Mädchen wird ermordet. Eine
Heirat hätte wohl auch den europäischen Konventionen widersprochen und zudem
eignet sich ein verheirateter Held weniger als zukünftiger Abenteurer.
Dennoch,
eine solche Liebesgeschichte zwischen Indianerinnen und Weißen steht nicht
singulär. Erinnert sei an Balduin Möllhausens Erzählung "Die Tochter des
Häuptlings", eine Romanze zwischen einer Chippewa-Indianerin und einen
kanadischen Trapper (in: Palmblätter und Schneeflocken, 1863) oder an Armands
"An der Indianer-Grenze, oder Treuer Liebe Lohn" aus dem Jahr 1859.[22]
Farnwald - ein junger Deutscher - in dem unschwer der Autor selbst
wiederzuerkennen ist, verliebt sich in die schöne Lepan-Indianerin Owaja. Doch
auch dieser Liebe zu einem rousseauschen Naturkind ist kein glückliches Ende
beschieden - das Mädchen kommt wie Nscho-tschi um, und Farnwald wendet sich im
weiteren Verlauf einer jungen wohlhabenden Weißen zu.[23]
Auch Kionata, die Tochter eines Caddoe-Häuptlings, die ihre Stammesbrüder
verlassen hat, um mit einem Weißen zu leben, wird ermordet. Armand erzählt
davon in seinem Werk "Aus Armand's Frontierleben". Ähnlich ergeht es
Kionatas Tochter Leonide, die am Vorabend ihrer Hochzeit mit dem Ich-Erzähler
vom Blitz erschlagen wird.[24]
"Die Mandanenwaise" in Balduin Möllhausens gleichnamigem Roman, stellt
sich allerdings am Ende des Romans als Tochter eines Weißen heraus,[25]
so dass hier eigentlich nicht von einer Liebesgeschichte zwischen einem Weißen
und einer Indianerin gesprochen werden kann.
Weitaus
seltener werden Liebesgeschichten zwischen einem Indianer und einer Weißen
thematisiert. Zu erwähnen ist Armands Erzählung "Ein Wilder". Ein
junges, weißes Mädchen wurde von Indianern entführt, kehrt aber dank der Hilfe
eines Indianers, der sich in sie verliebte hatte, wieder zu ihrer Familie zurück.
Der junge Indianer folgt ihr, bekehrt sich zum Christentum und heiratet
schließlich Lydia.[26]
Elemente der "captivity-tale" werden hier mit einer glücklichen
endenden Romanze verbunden, wobei das geschilderte Verhalten des Indianers
unwahrscheinlich erscheint.
Indianische
Frauen treten auch in einige kürzeren Texten unbekannterer Autoren auf. In
"Die Frau des indianischen Jägers" einer 1853 in der
"Illustrierten Welt" abgedruckten Erzählung, warnt eine Indianerin
eine Weiße, von der sie vor Jahren gesund gepflegt worden war, vor einem
Überfall.[27]
Ein Rettungsmotiv steht in "Die Adlerfeder" - 1858 in der
"Gartenlaube" veröffentlicht - im Zentrum der Handlung. Hier warnt
ein indianisches Mädchen einen amerikanischen Offizier, in den sie sich
verliebt hat, vor einem Überfall der Winnebagos auf Fort Snelling.[28]
Verlassen
wir nun die Indianerinnen und die in den kurz vorgestellten Erzählungen und
Romanen dominierenden Romanzen und wenden uns den "Frauen in den
'Backwoods' oder Wäldern des Westens" zu, wie sie Friedrich Gerstäcker in
einer Skizze aus dem Jahr 1845 nannte.[29] Es
sind die Frauen der Siedler, die Gerstäcker selbst in Wäldern der Ozarks in
Arkansas oder an einsamen Holzstapelplätzen am Mississippi kennengelernt hat.
Er schildert ihre tägliche Arbeit, und stellt fest, daß sie, obgleich ihr Leben
an der Frontier vielfach beschwerlich ist, ihren Gatten zumeist tüchtige
arbeitseifrige und zupackende Gefährtinnen sind. Ihr Leben ist rauh und
primitiv, Nachbarn wohnen zumeist weit weg und Ärzte sind kaum zu erreichen. Hinzu
kommt oftmals Einsamkeit, wenn die Männer sich tagelang auf der Jagd befinden.
In Notsituationen müssen die Frauen sich häufig eigenständig bewähren.
Interessant sind in dieser Skizze - aber auch in anderen Erzählungen
Gerstäckers - die zahlreichen Einzelheiten aus dem alltäglichen Leben. Seine
Frauen in den Backwoods sind - wie er selbst sagt - die "thätige[n]
Hausfrau[en], denen zwar die vielen Annehmlichkeiten der Zivilsation fehlen,
die ansonsten aber zufrieden sind. Vergnügungen sind Klötzeroll- und
Steppdeckenfeste ("husking-, quilting-, logrolling- and
house-raising-frolics"[30]),
bei denen sich Nachbarn zunächst zu gemeinsamen Arbeiten treffen und den Abend
dann mit fröhlichen Tänzen verbringen, wobei vor allem die jüngeren Mädchen
großen Wert auf ihre Toilette legen.
In
einigen humoristischen Erzählungen schildert Gerstäcker die Beziehungen
zwischen jungen Frauen und Männner. In "Curtis' Brautfahrt" versucht
Curtis, eine passende Frau zu finden. An einem Wochentage beginnt er,
ausstaffiert in seinem Sonntagsanzug, die Rundreise bei den Nachbarn, die
heiratsfähige Töchter haben. Allerdings wird er aufgrund seiner zahlreichen
Eigenarten und seines schon gesetzten Alters überall abgewiesen, und die jungen
Mädchen machen sich einen Spaß daraus, ihn zu necken.[31]
Besser geht es einem anderen jungen Mann in der Erzählung "In den
Backwoods", der sich, nachdem er von weiblichem, heiratsfähigem Besuch
erfahren hat, von einem Bekannten die Sonntagskleider aufs Feld bringen läßt.
Im neuen Anzug macht er dann so einen guten Eindruck, daß der späteren
Eheschließung nichts mehr im Wege steht.[32]
Auch
andere Autoren, kennen die tüchtigen Siedlerfrauen, wie z.B. Balduin
Möllhausen, der sie in seiner ansonsten tragischen Liebesgeschichte "Der
Fallensteller" am Rande auftreten läßt.[33]
Einen
ganz anderen Typ verkörpern die Frauen der "besseren" Gesellschaft:
"Elfriede
von Rothenfels, aus einer der ersten aristokratischen Familien Deutschlands,
war eine Dame im vollen Sinne des Worts, und noch dazu eine der liebenswürdigsten,
wenn auch verwöhntesten, die sich möglicher Weise denken ließen"[34]
Sie
unternimmt mit ihrem Gatten dem Baron von Rothenfels in Gerstäckers
gleichnamiger Erzählung eine Hochzeitsreise auf dem Mississippi, um das wilde
Nordamerika kennenzulernen. Ihr Mann verirrt sich unwegsamen Urwald, und sie
verläßt den Schaufelraddampfer an einem Holzstapelplatz. Hier findet sie nicht
das erwartete Hotel sondern nur eine primitive Unterkunft in der Hütte der
Siedler. Die freundlichen Siedler verstehen ihre Sprache nicht und es kommt zu
amüsanten Mißverständissen. Nach einer Übernachtung in der Hütte und dem
glücklichen Wiedererscheinen ihres vom Urwald entsetzten Gatten fährt unser
adeliges Paar mit Kammerdiener und Zofe schnellstens wieder nach Europa zurück.[35]
Gerstäcker karikiert hier, wie auch in anderen Erzählungen, die europäischen
Reisenden, die von romantischen Vorstellungen ausgehend den amerikanischen
Westen kennenlernen wollen, und bei den ersten auftretenden
(Pseudo-)Schwierigkeiten aufgeben und schnell wieder in ihre Heimat
zurückkehren.
Ein
ähnliches Luxusgeschöpf wie Elfriede von Rothenfels begegnet uns in "Die
Tochter der Ricarees": Gabriele Beaufort, die Tochter eines reichen
Pflanzers in Louisisiana. "Des Pflanzers holdes Kind, die reizendste
Creolin Louisianas[...]", liegt träumend in ihrer Hängematte, eine
Negersklavin fächelt ihr Kühle zu, und sie zerpflückt aus Langeweile
Blütenblätter. Aktiv tritt sie in der Erzählung kaum hervor, setzt sich zwar
etwas für ihre indianische Freundin ein, verschwindet aber dann bald aus der
Handlung.[36]
Auch
Kornelia Montejo und ihre Tochter Kleopatra in Armands Roman "Die alte
spanische Urkunde" zeichnen sich dadurch aus, dass sie viel Geld für Mode,
Nichtigkeiten und Bälle ausgeben. Vorwiegend sind sie an pekuniärem Besitz
interessiert, und scheuen keine Intrigen, um sich die finanziellen Mittel für
ihre Vergnügungen zu verschaffen. Allerdings bleibt Armands ganzer Roman,
obwohl die Handlung an der Frontier in Texas angesiedelt ist, europäische
Konventionen verhaftet. Kornelia und Kleopatra Montejo leben auf einer
Plantage, eine Gesellschafterin und Klavierlehrerin wird eingestellt, und die
ganze Geschichte könnte ohne große Änderungen auch in Europa spielen.
Die
Gesellschafterin Sarah verkörpert einen in Nuancen anderen Frauentyp. Sie ist
aufgrund von Widrigkeiten gezwungen, eine unter ihrem eigentlichen Stand und
ihrer Bildung liegende Stellung anzunehmen, in der sie unauffällig und von
Anfeindungen unbeirrt ihrer Tätigkeit nachgeht. Trotz einiger Verleumdungen
gewinnt sie schließlich ihr Erbe und zudem einen geliebten Mann.[37]
Balduin
Möllhausens "Mormonenmädchen", eine junge gebildete Schwedin, gerät
in die Fänge intriganter Mormonen, die sie um ihr reiches Erbe bringen wollen,
indem sie planen, das Mädchen mit einem Mormonen verheiraten. Ein aufrichtiger
amerikanischer Marineoffizier kann dies nach zahlreichen Abenteuern in Utah
verhindern.[38]
Ebenfalls
aus besseren Kreisen stammt ein siebzehnjähriges, junges Mädchen mit
"dunklen rabenschwarzen Locken und ebensolchen Augen und marmorbleichen
und doch so zarten fast durchsichtigen Zügen," welches aufgrund der
Spielleidenschaft ihres Vaters gezwungen ist, allabendlich in einem Spielsaloon
Violine zu spielen. Gerstäcker erwähnt ihr Schicksal in "Eine Nacht in einer
californischen Spielhölle".[39]
Während diese junge Südländerin unverschuldet ins Milieu der Spielhallen
geraten ist, ist "Die gute Frau" in Gerstäckers gleichnamiger,
ebenfalls in Kalifonien angesiedelter Erzählung eindeutig negativ
charakterisiert.
Sie
verleugnet ihren Mann, lebt mit einem Spieler und Verbrecher zusammen, treibt
sich in trinkend in Spielsaloons herum und bestiehlt schließlich noch
diejenigen, die sie freundlich bei sich aufgenommen haben.[40]
Da
ist Mutter Thick, die wohlbeleibte ehrbare Wirtin eines von "den Seen bis
zum mexikanischen Golf und von Boston bis San Francisco wohlbekannten
Boardinghause[s]" in Jefferson, der Hauptstadt des Staates Missouri von
anderem Schlag. Resolut und fürsorglich kümmert sie sich um ihre Gäste und
sorgt "mit behender Gewandtheit" dafür, dass es niemandem an etwas
mangelt. Karl May führt seine Leser zu Beginn des Romans "Old Surehand
II" in dieses Boardinghaus und macht sie mit der guten Dame bekannt, die
"[...] ganz den Eindruck einer verständigen, freundlichen und besorgten
Hausmutter [macht], deren Glück es ist, Zufriedenheit um sich zu sehen."[41]
In
den vorstehenden Abschnitten wurden verschiedene Frauentypen kurz vorgestellt,
die im deutschen Amerikaroman des 19. Jahrhunderts auftreten. Die Auswahl ist
beileibe nicht vollständig, sie spannt aber einen breiten Bogen von den
Indianerinnen bis zu den Damen der besseren Gesellschaft. Unter den Verfassern
der Romane und Erzählungen musste gleichfalls ausgewählt werden. Wenn auch
überwiegend bekannte Namen genannt gewurden, so sollten doch die zahlreichen
anderen Autoren von Texten, die vor einem amerikanischen Hintergrund spielen,
nicht vergessen werden. Hinzu kamen im vorigen Jahrhundert eine große Menge
übersetzter Texte, z.B. von Thomas Mayne Reid, Gustave Aimard oder Gabriel
Ferry. Die in ihnen auftretenden Frauengestalten unterscheiden sich zumeist
kaum von denen, die in der Phantasie ihrer deutschsprachigen Kollegen
entstanden.
(Der Beitrag
erschien erstmals 1994 in Studies in the Western. Für die Online-Fassung
wurde nur das Layout angepasst.)
[1] Ursprünglich handelt es sich bei diesem Beitrag um einen
Vortrag, der am 25.6.1994 auf der 5. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Westerns in Iserlohn gehalten wurde. Die Vortragsform wurde bewusst
beibehalten. Ergänzt wurden Fußnoten mit Quellen- und Literaturhinweisen.
[2] Von literaturwissenschaftlicher Seite her wurden die
deutschsprachigen Texte des vorigen Jahrhunderts, die man als Western, bzw.
Frühformen des Western bezeichnen könnte, zumeist in Zusammenhang mit der
Abenteuerliteratur behandelt. Hier liegen einige Überblicksstudien vor; vgl.
z.B. SEHM, Gunter G.: Der
ethnographische Reise- und Abenteuerroman des neunzehnten Jahrhunderts. Eine
Gattungsbestimmung (Studien zu
Trivialliteratur 3). Wien 1972 (Phil. Diss. Hamburg 1974) und STEINBRINK,
Bernd: Abenteuerliteratur
des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Studien zu einer vernachlässigten Gattung (Studien zu deutschen Literatur 72). Tübingen 1983
[3] zu Otto Ruppius, vgl. GRAEWERT, Theodor: Otto Ruppius und der Amerikaroman im 19. Jahrhundert. Phil. Diss. Jena 1935
[4] Eine moderne wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Leben
und Werk von Friedrich Gerstäcker fehlt. Verwiesen sei darum auf: OSTWALD,
Thomas: Friedrich Gerstäcker.
Leben und Werk. Bibliogr. Anhang von Armin Stöckhert. 2. korr. u. erg. Aufl. Braunschweig 1977 sowie ROTH, Karl Jürgen: Friedrich Gerstäcker. Biographie /
Bibliographie. - In: Schegk,
Friedrich (Hrsg.): Lexikon der Reise- und Abenteuerliteratur. Meitingen
Grundwerk Dezember 1988
[5] Leider fehlen auch zu Strubberg neuere Arbeiten, verwiesen
sei auf: BARBA, Preston
Albert: Friedrich Armand Strubberg. - In: German American Annals
10.1912/11.1913, S. 175-225, 3-63, 115-142 [auch als:] The Life and Works of
Friedrich Armand Strubberg (Americana Germanica. Monograph Series 16) [New
York] 1913 und SEHM, Gunter G.: Armand. Biographie und Bibliographie.
Wien 1972
[6] Zu Möllhausen vgl.: BARBA, Preston A.: Balduin Möllhausen. The German Cooper (Americana
Germanica 17. Publications of the University of Pennsylvannia) [New York] 1914;
GRAF, Andreas: Der Tod der Wölfe. Das
abenteuerliche und das bürgerliche Leben des Romanschriftstellers und
Amerikareisenden Balduin Möllhausen (1825-1905). Berlin 1991; DERS.: Abenteuer und Geheimnis. Die Romane
Balduin Möllhausens (Rombach Wissenschaft - Reihe Litterae 18). Freiburg 1993
und SCHEGK, Friedrich: Balduin Möllhausen. Biographie / Bibliographie. -
In: DERS. (Hrsg.): Lexikon der Reise- und Abenteuerliteratur. Meitingen
1988 ff.
[7] GERSTÄCKER, Friedrich: Die
Sklavin. - In: DERS.: Mississippi, Licht- und Schattenseiten transatlantischen
Lebens Bd. 1. Dresden und
Leipzig 1847 [Reprint: Braunschweig 1985], S. 1-64
[8] Ebd., S. 14
[9] Ebd., S. 14
[10] Vgl. ebd., S. 23 f.
[11] STRUBBERG, Frédéric Armand: Semona, oder: Schwarzes Blut. Herausgegeben und mit einem
Nachwort von K.J.Roth (Abenteuer-Archiv
1,1). Siegen 1988
[12] ARMAND (STRUBBERG, Frédéric Armand): Die Quadrone. Aus dem Leben. Herausgegeben und mit einem
Nachwort von K.J.Roth (Abenteuer-Archiv
1,6). Siegen 1990
[13] Vgl. ebd, z.B. die Illustration von Gustav Bartsch auf
S. 8
[14] GERSTÄCKER, Friedrich: Jazede. - In: DERS.: Mississippi-Bilder,
Licht- und Schattenseiten transatlantischen Lebens Bd. 3. Dresden und Leipzig 1848 [Reprint: Braunschweig
1985], S. 1-74; hier S. 37
[15] Ebd. S. 49
[16] Vgl. GERSTÄCKER, Friedrich: Die Tochter der Ricarees.
- In: DERS.: Aus zwei Welttheilen.
Gesammelte Erzählungen Bd. 2.
Leipzig 1854 [Reprint: Braunschweig 1984], S. 1-92
[17] Ebd. S. 4
[18] Ebd. S. 5
[19] GERSTÄCKER, Friedrich: Die
Bewohner der westlichen Prärien. Skizze.
- In: Über Land und Meer, 10. Jg. 1868 (Bd. 18), S. 139-141; hier S. 139
[20] GERSTÄCKER, Friedrich: Eine
Stunde in einem Lager der Sioux.
- In: DERS.: Kleine Erzählungen
und nachgelassene Schriften Bd. 1. Jena
o.J. [Reprint: Braunschweig 1983], S. 657-663; hier S. 658
[21] MAY, Karl: Winnetou. Der rote Gentleman
Bd. 1. München 1976, S. 173
[22] Vgl. MÖLLHAUSEN, Balduin: Die
Tochter des Häuptlings. - In: DERS.:
Palmblätter und Schneeflocken.
Erzählungen aus dem fernen Westen.
2 Bde. Jena/Leipzig 1863; ARMAND (STRUBBERG, Frédéric Armand): An der Indianer-Grenze, oder Treuer Liebe Lohn. 4 Bde. Hannover 1859
[23] Vgl. ebd.
[24] Vgl. ARMAND (STRUBBERG, Frédéric Armand): Leonide. - In: DERS.:
Aus Armand's Frontierleben. 3 Bde. Leipzig 1868; Bd. 1, Bd. 2 u. Bd. 3, S. 1-11
[25] Vgl. MÖLLHAUSEN, Balduin: Die
Mandanenwaise. Erzählung. 4 Bde. Berlin
1865
[26] Vgl. ARMAND (STRUBBERG, Frédéric Armand): Ein Wilder.
- In: DERS.: Aus Armand's
Frontierleben. 3 Bde. Leipzig
1868, Bd. 3, S. 153-266
[27] Vgl. Die Frau des
indianischen Jägers. - In: Die Illustrirte Welt
1. Jg. 1853, S. 10-11, 18-19
[28] Vgl. Gtz.: Die
Adlerfeder. - In: Die Gartenlaube
6. Jg. 1858, S. 315-316
[29] Vgl. GERSTÄCKER, Friedrich: Die Frauen in den "Backwoods" oder Wäldern des
Westens. - In: DERS.: Mississippi-Bilder, Licht- und Schattenseiten transatlantischen
Lebens Bd. 3. Dresden und
Leipzig 1848 [Reprint: Braunschweig 1985], S. 135-164. Die Skizze wurde
schon 1845 in Das Ausland vorabgedruckt.
[30] Ebd. S. 145
[31] Vgl. GERSTÄCKER, Friedrich: Curtis Brautfahrt.
- In: DERS.: Amerikanische Wald-
und Strombilder. Erster Theil.
Dresden und Leipzig 1849 [Reprint: Braunschweig o.J.], S. 131-184
[32] Vgl. GERSTÄCKER, Friedrich: In den Backwoods.
- In: DERS.: Kleine Erzählungen
und nachgelassene Schriften Bd. 1. Jena
o.J. [Reprint: Braunschweig 1983], S. 685-691
[33] Vgl. MÖLLHAUSEN, Balduin: Der
Fallensteller. Herausgegeben und mit einem Nachwort von K.J.Roth (Abenteuer-Archiv 1,101). Siegen 1991
[34] GERSTÄCKER, Friedrich: Eine
Hochzeitsreise. - In: DERS.: Kleine Erzählungen und nachgelassene Schriften Bd. 1. Jena o.J. [Reprint: Braunschweig 1983],
S. 307-371; hier S. 310
[35] Vgl. ebd.
[36] Vgl. GERSTÄCKER, Friedrich: Die Tochter der Ricarees,
a.a.O.; Zitat S. 3
[37] ARMAND (STRUBBERG, Frédéric Armand): Die alte spanische Urkunde.
2 Bde. Hannover 1872
[38] MÖLLHAUSEN, Balduin: Das
Mormonenmädchen. Erzählung. 6 Bde.
Jena/Leipzig 1864
[39] Vgl. GERSTÄCKER, Friedrich: Eine Nacht in einer Californischen Spielhölle. - In: DERS.: Californische
Skizzen. Leipzig 1856, S.
196-248; Zitat S. 223
[40] Vgl. GERSTÄCKER, Friedrich: Eine Stunde in einem Lager der Sioux. - In: DERS.: Kleine
Erzählungen und nachgelassene Schriften
Bd. 1. Jena o.J. [Reprint: Braunschweig 1983], S. 372-420
[41] MAY, Karl: Old Surehand Bd. 2. München 1977, Zitate S. 6 u 7
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