Leihbüchereien in der SBZ und in der DDR
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- Es gab schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Gebiet der späteren DDR wieder oder noch immer kommerzielle Leihbüchereien.
- Der Vordruck der Leihkarte könnte aufgrund der benutzten Schrifttype eventuell schon vor dem Zweiten Weltkrieg gedruckt worden sein. Dazu passt allerdings der Straßenname 'Ernst Thälmannstr.' nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass während der Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft eine Straße nach dem kommunistischen Politiker benannt wurde. Die Währungseinheit Rm (Rentenmark, vulgo Reichsmark) war vor der Währungsreform in Ost- und Westdeutschland nach wie vor das gültige Zahlungsmittel.
Private Leihbücherei in Altenburg (Thüringen) - um 1960 |
"Private Leihbibliotheken gab es im Osten Deutschlands so bis 1960. Bei uns zwei Stück, eine sogar in unserer Straße. Da mußte ich immer die Bücher zurückbringen, welche die Mutter ausgeliehen hat, z.B. L. Ganghofer und so.
Dort gab es sogar noch Autoren, welche im Osten dann schon verpönt waren, wie eben der Ganghofer, oder auch Karl May oder Robert Kraft und Sir John Retcliffe. Ein Ausleihvorgang kostete 20 Pfennige, max. für 3 Bücher. das war viel Geld, wenn man bedenkt, daß z.B. ein kleines Glas Bier 5 Pfennige gekostet hatte und ein kleines Brot 30 Pfg.
Ab Ende der 50-iger Jahre gab es dann die Staatlichen Bibliotheken für Kinder und Jugendliche und dann auch für die erwachsenen Leser. Toll war hier, daß die Sache nichts kostete, unbegrenzte Ausleihmöglichkeit bestand – und das Sortiment sehr breit gefächert war, besonders auch im Kinder- und Jugendbereich.
Zusätzlich hatte jeder Betrieb eine eigene Betriebsbücherei und jede Gemeinde auch noch die Gemeindebibliothek, jede Schule eine Schulbibliothek. Also Lesemöglichkeiten ohne Ende, wer eben wollte. Toll war auch: Jede Woche fuhr ein großer Bus über das Land, eine “rollende Bibliothek” in die abgelegenen Dörfer.
Sicher habe ich jetzt über die vielen Jahre schon einiges vergessen, aber eine Erinnerung habe ich noch: Mein erstes ausgeliehenes Jugendbuch war der “Marinedolch” von Rybakow. Der zweite Teil hieß dann “Der Bronzeadler”. Und das erste Kinderbuch: “Fram, der Eisbär”. Ein kleines Büchlein aus dem damaligen “Trompeter-Verlag”.
1991 (Umsturz) wurden die ganzen Bücher weggeschmissen, sämtliche Bibliotheken geschlossen. Einige Bücher konnte man retten, ich z.B. die ganzen Bände “Die Söhne der großen Bärin” von der Welskopf-Henrich. Herrliche Indianerbücher. Die lagen auf dem Marktplatz rum in einem großen Haufen. Das hat einfach nur weh getan, als ich dort rumwühlte. Bald wie früher die Bücherverbrennung, so ein riesiger Buchhaufen. Eine Schande war das.
Dafür haben wir jetzt Konsalik und Co. ohne Ende. War schon alles traurig, was damals so ablief."Den schwierigen Umgang mit Leihbüchereien in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und später
in der DDR dokumentiert ein Aufkleber, den Herbert Kalbitz in einem alten Leihbuch gefunden hat.
1946, in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und noch vor der Gründung der DDR hat das Volksbildungsamt (hier ein Nachweis aus Halle/Saale) mit einer Kampagne die Leser von Leihbüchern aufgefordert, „unerwünschte Textstellen“ ausfindig zumachen und dem Leiter der Leihbücherei zu melden.
Eine Studie zum Thema LEIHBÜCHEREIEN IN MITTELDEUTSCHLAND 1945-1958 hat Dietrich Löffler 2016 veröffentlicht. Sie ist erfreulicherweise kostenlos als PDF-Datei zugänglich. (http://digital.bibliothek.uni-halle.de/pe/content/titleinfo/2502218)
Stempel von Dettmers Leihbücherei in Halle |
Ich danke Herbert Kalbitz, Jens Kestner und Klaus Lechelmayer für Scans und Informationen.
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